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15. Mai 2023
Der Entwurf für das Neue Luzerner Theater konzentriert sich auf zwei wesentliche Punkte: Bewahrung und Weiterführung der Identität des Theaters als Teil des städtischen Lebens und Schaffung eines offenen und lebendigen Ortes.

Von welchen Überlegungen liessen sich die Sieger des Wettbewerbs für ein Neues Luzerner Theater leiten? Die Architekten Andreas Ilg und Marcel Santer haben das Wort:

Als wir uns an den Entwurf für den Architekturwettbewerb machten, stand im Vordergrund, an einem derart bedeutenden Standort eine Lösung für ein neues Theater zu erarbeiten, welche die Geschichte des Ortes respektiert und gleichzeitig in die Zukunft führt: Das jetzige Theatergebäude von 1839 soll als identitätsstiftender Bau erhalten bleiben, an dem mit einer Erweiterung weitergebaut wird. Unser Entwurf gliedert die Hauptfassade des Neuen Luzerner Theaters in drei giebelständige Volumina – Altbau, schwebender mittlerer Saal und vorspringender Bühnenturm. Diese Gliederung haben wir gewählt, um einen Kontext zum Stadtraum und eine Integration in die kleinteilige bestehende Dachlandschaft zu schaffen.

Die Verfassenden des Siegerprojekts
Die Verfassenden des Siegerprojekts «überall» (v. l. n. r.): Wilhelm Falk, Andreas Ilg, Vesna Petrovic, Marcel Santer von Ilg Santer Architekten.

In den Stadtraum eingefügt: Bestehendes Theater und Erweiterungsbau

Dabei war uns wichtig, die neuen Volumina kleiner als die Fassade der Jesuitenkirche zu gestalten, damit sich das neue Theater gegenüber der Kirche zurückhaltend zeigt. In der Flucht der Bahnhofstrasse bleibt die Sicht auf die Türme frei. Die Fassade zum Kirchenschiff haben wir im Entwurf zudem um ein Geschoss reduziert und leicht abgerückt, um auf die Lichtsituation im Kirchenraum zu reagieren.

Es gibt einen weiteren gewichtigen Grund für den Erhalt: Im Altbau kann ein Drittel des oberirdischen Volumens des neuen Theaters aufgenommen werden. Mit dem Erhalt der bestehenden Bausubstanz und dem Einsatz neuer Baumaterialien können die graue Energie und die Treibhausgasemissionen entsprechend reduziert werden.

Kein geschlossenes Haus, sondern ein Ort für urbanes Leben

Wir wollten auch eine räumliche Situation rund um das Neue Luzerner Theater schaffen, die im Rahmen des vorgegebenen Raumprogramms einen klaren öffentlichen Raum entstehen lässt und zudem das Projekt der neuen Bahnhofstrasse miteinbezieht. Dieses erweitert die bedeutende Geschichte der Luzerner Quaianlagen als öffentliche Bühnen, welche sich mit ihren Kastanienreihen um das Seebecken ausdehnen und die Möglichkeit zum Flanieren oder einfach Raum für urbanes Leben bieten. Sie sind Teil unserer Gestaltungsidee, die das neue Theater innen und aussen verbindet.

Der Altbau und die beiden grossen Säle öffnen sich zum Reussufer und binden den Aussenraum in das Theater ein. Im Theater selber wird als sozialer Treffpunkt ein neuer gedeckter öffentlicher Raum geschaffen. Eine wichtige Rolle übernehmen auch die grossen Stadtfenster des neuen mittleren Saales und des neuen Bühnenturms: Sie tragen das Geschehen aus dem Inneren in den Aussenraum und öffnen das Theater zur Stadt.

Ein offenes und lebendiges Haus für alle

Als Haus des 21. Jahrhunderts soll das neue Theater keine elitäre Institution sein, sondern ein Haus für alle. Bei der Konzeption der Innenräume war dies unser Leitmotiv. Der Zuschauerraum des alten Stadttheaters wird damit als vertikales Foyer das Herz des neuen Theaters. Die Säle verteilen sich entlang dieser inneren Raumfolge, Alt und Neu mischen sich. Der grosse Saal im Erdgeschoss, der mittlere Saal auf der Dachebene und der kleine Saal im bestehenden Bühnenraum bespielen das ganze Haus. Der Saal mit den Hinter- und Seitenbühnen und dem Foyer kann zu einer zusammenhängenden und multifunktional bespielbaren Fläche transformiert werden.

So wird der klassische Rahmen des Sprech- und Musiktheaters gesprengt und neue Nutzungsformen werden möglich gemacht – damit soll das neue Theater ein wesentlicher Bestandteil des kulturellen Lebens in Luzern werden.

Andreas Ilg und Marcel Santer
Ilg Santer Architekten

 

Das richtige Projekt am richtigen Ort

Der Stadtrat will das Projekt «überall» weiterverfolgen, mit dem am Theaterplatz ein zeitgemässes Theatergebäude entsteht. Stadtpräsident Beat Züsli erklärt, inwiefern es überarbeitet werden soll.

Beat Züsli
Stadtpräsident Beat Züsli war klar: Die Planung an dieser zentralen Stelle löst kontroverse Diskussionen aus.

Interview von Simon Rimle

Was halten Sie vom Projekt «überall» von Ilg Santer Architekten für ein Neues Luzerner Theater, Stadtpräsident Beat Züsli?

Das Projekt ist konzeptionell für Luzern und den Theaterplatz genau richtig. Die städtebaulich bestechende Idee, das bisherige Theatergebäude zu erhalten und mit einem modernen Anbau zu kombinieren, begeisterte das Preisgericht und mich persönlich. Auch die Verantwortlichen des Luzerner Theaters und der andern in der Projektierungsgesellschaft vertretenen Partner sowie der Stadtrat sind von den Qualitäten des Entwurfs überzeugt. Deshalb hat sich das Projekt gegen die andern 127 Projekte im Architekturwettbewerb durchgesetzt.

Aber es gab auch viel Kritik. Weshalb halten Sie trotzdem an diesem Projekt fest?

Das Siegerprojekt wurde tatsächlich kontrovers aufgenommen, von sehr kritisch bis sehr positiv. Angesichts der städtebaulichen Entwicklung an einem so zentralen Ort in der Stadt Luzern erstaunt das nicht. Die Vorteile des Entwurfs überzeugen aber. Er kombiniert ausgezeichnet die Bedürfnisse einer baulichen Entwicklung im geschützten Ortsbild und eines modernen Theaterbetriebs. Wir haben an der Wettbewerbsausstellung sowie an öffentlichen Veranstaltungen in der Kornschütte erlebt, dass viele Luzernerinnen und Luzerner vom Projekt begeistert sind. Dies trifft umso mehr zu, sobald sie sich vertieft mit dem Projekt auseinandergesetzt haben.

Gleichwohl wollen Sie das Projekt überarbeiten lassen. Warum?

Bereits das Preisgericht des Architekturwettbewerbs hat im Jurybericht vom Herbst 2022 eine Überarbeitung empfohlen und vorgeschlagen, im Rahmen der weiteren Bearbeitung des Projekts verschiedene Punkte zu überprüfen. Auch aufgrund der Rückmeldungen aus der Bevölkerung und verschiedener Interessengruppen ist der Stadtrat der Meinung, dass das Projekt über die Anregungen der Fachjury hinaus überarbeitet werden soll. Dies wird in einem nächsten Schritt passieren, allerdings erst nach Abschluss der hängigen Beschwerdeverfahren gegen die Durchführung des Wettbewerbs.

Was wollen Sie denn überarbeiten lassen?

Wir wollen hauptsächlich das Raumprogramm und somit das Gesamtvolumen des Baus kritisch prüfen. Kann zum Beispiel die Sitzzahl im Grossen Saal reduziert werden, um dadurch den Abstand zur Jesuitenkirche zu vergrössern? Auch weitere Räume wie zum Beispiel der Mittlere Saal werden überprüft. Zudem hinterfragen wir die Gastronomie im Dachstock des Altbaus: Generell wollen wir eine veranstaltungsbezogene flexible Theatergastronomie, die möglichst auch Passantinnen und Passanten anzieht. Weiter streben wir eine möglichst attraktive öffentliche Zugänglichkeit des Gebäudes an, auch für nicht Theaterbesuchende oder solche, die es erst werden. Generell sollen die Freifläche rund ums Gebäude optimiert werden und die Verbindungswege zwischen Neustadt und Altstadt und dem Reussufer bestmöglich gestaltet werden. Insgesamt sind dies anspruchsvolle Aufgaben, denen sich der Theaterbetrieb und das Architektenteam stellen wollen.

Wann kann sich die Stadtluzerner Bevölkerung zum Neuen Luzerner Theater äussern?

Aufgrund der breiten und teilweise intensiven Diskussion über das Siegerprojekt ist es aus Sicht des Stadtrates gut möglich, dass es bereits 2024 über den Projektierungskredit zu einer Referendumsabstimmung kommen könnte.

Der Stadtrat will darum im Rahmen der Vorlage für den Projektierungskredit mit einem überarbeiteten Projekt aufzeigen können, wie das Neue Luzerner Theater weiterentwickelt wird und einst aussehen könnte. (SR)

 

Vorbereitung
Nach dem Testplanungsverfahren gründeten die Stadt Luzern, der Kanton Luzern und die Stiftung Luzerner Theater mit verschiedenen Partnerorganisationen die Projektierungsgesellschaft Neues Luzerner Theater. Sie erarbeitete die Grundlage für den Architekturwettbewerb, der im Herbst 2021 gestartet wurde.

Wettbewerbsphase
Das Siegerprojekt wurde Mitte Dezember 2022 publiziert. Der Wettbewerb konnte aufgrund hängiger Beschwerdeverfahren gegen das Ergebnis noch nicht abgeschlossen werden und dauert bis zum Abschluss der Projektüberarbeitung. Das Ergebnis wird dem städtischen Parlament vorgelegt. Nach Abschluss der Beschwerdeverfahren bis zum genehmigten Projektkredit ist mit rund eineinhalb Jahren zu rechnen.

Projektierung
In dieser zwei- bis dreijährigen Phase wird das Projekt in allen Teilen und mit allen Details ausführungsreif geplant. Dadurch können die Kosten im Detail kalkuliert sowie die erforderlichen bau- und zonenrechtlichen Anpassungen formuliert werden. Darauf folgend werden dem Grossen Stadtrat die Projektrealisierung, das Finanzierungskonzept und die dafür notwendigen Kreditmittel beantragt.

Realisierung
Nach der Genehmigung durch den Grossen Stadtrat sowie der darauffolgenden städtischen Volksabstimmung wird das Neue Luzerner Theater mit einer Bauzeit von rund zwei bis drei Jahren realisiert, feierlich eröffnet und der Stiftung Luzerner Theater für den Betrieb übergeben.

 

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Stadtmagazin 1/2023