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Vor fast 100 Jahren führte die Stadt Luzern eine obligatorische Impfaktion durch – gegen Pocken. Das Stadtarchiv hat aus aktuellem Anlass eine Bildergalerie über den Umgang mit der hochansteckenden Krankheit in Luzern bereitgestellt.

Die Pocken, auch Blattern genannt, zirkulierten in Europa während Jahrhunderten. Die Infektionskrankheit hatte eine Sterberate von 10 bis 30 Prozent. Erkrankte litten an Fieber sowie einem Ausschlag mit Bläschen, der bleibende Narben hinterliess. Zur Bekämpfung der Pocken wurde erstmals in der Medizingeschichte ein Impfstoff entwickelt. Die zahlreichen Ausbrüche der Krankheit führten ab 1800 zu flächendeckenden Impfkampagnen in ganz Europa. Seit 1980 gelten die Pocken weltweit als ausgerottet.

In der Stadt Luzern häuften sich die Pockenfälle auch noch im ausgehenden 19. Jahrhundert. Innerhalb von zwei Jahren erkrankten 140 Personen an den Pocken, 24 davon verstarben. 1880 empfahl der städtische Amtsarzt Häuser, in denen Pockenkranke gepflegt werden, zu kennzeichnen und die Quarantäneregeln für die Mitbewohner zu verschärfen.

Die letzte Pockenepidemie traf die Schweiz und die Stadt Luzern in den 1920er-Jahren. Zahlreiche Dokumente im Stadtarchiv dokumentieren das Wirken der Behörden zur Eindämmung der Epidemie. Interessierte finden unter diesem Link eine ausführlichere Quellensammlung mit Transkriptionen der handschriftlichen Texte.

Die «Sanitätscommisssion» hielt 1880 fest, dass «die raschen Verkehrs-Verhältnisse der Gegenwart» für die «Verschleppung der Krankheit sehr günstig» seien. Im Südtrakt (Obergrundstrasse 1, heute Stadtverwaltung) wurde bereits in den 1860er-Jahren eine Abteilung für ansteckende Kranke eingerichtet. Auf kommunaler Ebene war die Ortsgesundheitskommission für «gemeingefährliche Epidemien» zuständig. Ärzte mussten der Ortsgesundheitskommission sämtliche Fälle der «gemeingefährlichen» Krankheiten melden. Dabei wurde 1893 auch der Impfstatus mitsamt Anzahl und Form der typischen Narben der Pockenimpfung erfasst. Die Impfrate von 80% genügte nicht, weswegen die Stadt 1924 eine kostenlose öffentliche Impfaktion durchführte. Die freiwillige Pockenimpfung wurde in der Schweiz bis 1972 durchgeführt. Amtsarzt Brun meldete die Erkrankung der vier Jahre alten Katharina Suppiger: «Nicht isolierbar, daher nach Rathhausen». Auch der Knabe Leonz Schlumpf aus Littau musste 1880 in Rathausen kuriert werden. Erkrankte wurden in Pferdekutschen wie jener des Herisauer Wagenbauers Keller ins Spital transportiert. Mit dem Neubau wurde 1896 mehr Raum für die Pflege ansteckender Patienten geschaffen. Frauen- und Männer-Abteilung umfassten je 12 Betten, meist stand das Haus jedoch leer. Von 1953 bis 1978 war hier die Jugendherberge untergebracht, heute ist es ein Atelierhaus.