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13. März 2023
Die Stadt Luzern will die Fallbelastung von Mitarbeitenden in der Existenzsicherung und bei den Beistandschaften markant senken. Damit können eine umfassendere Begleitung und eine individuellere Beratung sowie eine bessere Integration erreicht werden. Insbesondere bei der Sozialhilfe werden mit einer individuell angepassten Begleitung schnellere und mehr Ablösungen möglich, wie Erfahrungen in anderen Städten zeigen. Deshalb beantragt der Stadtrat beim Grossen Stadtrat mehr Stellen für Beistandschaften und in der Existenzsicherung.

Situation bei den Beistandschaften

Der Kinder- und Jugendschutz sowie der Erwachsenenschutz der Stadt Luzern begleiten Personen, die hilfs- und schutzbedürftig sind und nicht selber für ihr Wohlergehen sorgen können. Dazu werden professionelle Beistandspersonen eingesetzt. In der Stadt Luzern sind rund 1750 Personen verbeiständet. Heute führt eine Beistandsperson mit Vollzeitpensum im Kinder- und Jugendschutz 65 Mandate. Beim Erwachsenenschutz sind es 86 Mandate pro Vollzeitstelle. Das ist deutlich mehr, als von Fachleuten empfohlen wird. Als Konsequenz steht pro Mandat weniger Zeit zur Verfügung, als eigentlich nötig wäre. Mit dem Postulat 85 vom 12. April 2021 wurde der Stadtrat aufgefordert, diesen Mangel zu beheben und eine Reduktion der Falllast im Kindes- und Erwachsenenschutz zu prüfen.

Beistandspersonen begleiten oftmals Menschen in sehr komplexen Lebenssituationen. Die zeitgleiche Begleitung von heute bis zu 86 Personen und Familien bzw. 65 Kindern oder Jugendlichen ist fachlich sehr anspruchsvoll und würde oftmals mehr Zeit benötigen. Aktuell haben Beistandspersonen nicht die nötigen Ressourcen und sind in ihrer Arbeit stark belastet. Die im Juni 2021 veröffentlichten Empfehlungen der interkantonalen Fach- und Direktorenkonferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz (KOKES) bestätigen dies. Sie empfehlen, die Falllast deutlich zu senken. Der Luzerner Stadtrat anerkennt die zu knappen Ressourcen für Beistandspersonen und beantragt beim Grossen Stadtrat, die Falllast pro Vollzeitstelle wie folgt zu senken:

Tabelle 1

 

Situation in der Existenzsicherung

Im Bereich «Existenzsicherung» sind zwei Beratungsteams zuständig für die Sozialhilfedossiers. In ihren Aufgabenbereich fallen unter anderem die Anspruchsprüfung und die Ausrichtung der finanziellen Leistungen der wirtschaftlichen Sozialhilfe. Sie begleiten und beraten Klientinnen und Klienten. Weiter nehmen sie in verschiedenen Themenfeldern eine Triage vor und melden Personen mit Sozialhilfebezug beispielsweise bei der Fachstelle Arbeit an für Massnahmen zur beruflichen Integration oder vermitteln sie an externe Integrationsangebote. Nicht zuletzt sind die Sozialarbeitenden auch für die Prüfung und Geltendmachung von subsidiären Ansprüchen (unter anderem Sozialleistungen wie IV, ALV, Stipendien) zuständig. Es existieren verschiedene Empfehlungen zur Fallbelastung in der Sozialhilfe für grössere Sozialdienste. Sie bewegen sich zwischen 60 und 80 Fällen auf eine Vollzeitstelle. Die Stadt Luzern liegt deutlich darüber. Aktuell führt die Existenzsicherung total rund 1700 aktive Dossiers. Pro Vollzeitstelle müssen in der Existenzsicherung 92 Mandate geführt werden. Mit dem Postulat 84 vom 12. April 2021 wurde der Stadtrat aufgefordert, eine Reduktion der Falllast zu prüfen und die notwendige Personalaufstockung zeitnah und innerhalb maximal zweier Jahre zu realisieren.

Eine übermässige Fallbelastung in der Sozialhilfe wirkt sich negativ auf die Qualität der erbrachten sozialarbeiterischen Leistungen aus. Je mehr Dossiers eine Fachperson zu bearbeiten hat, umso weniger Zeit steht für Abklärungen, Begleitung und Beratung zur Verfügung. Es ist für die Sozialarbeitenden zunehmend schwieriger, aufgrund fundierter Abklärungen geeignete Massnahmen einzuleiten und so präventiv, proaktiv und zeitnah zu intervenieren. Dies ist für die Sozialarbeitenden unbefriedigend und sehr belastend. Der Luzerner Stadtrat anerkennt die knappen Ressourcen in der Existenzsicherung und beantragt beim Grossen Stadtrat, die Falllast pro Vollzeitstelle wie folgt zu senken:

Tabelle 2

Wirkung einer reduzierten Falllast

Mit einer reduzierten Fallbelastung steht grundsätzlich mehr Zeit pro Klientin oder Klient zur Verfügung. Dadurch steigt die Qualität der Betreuung und die verbeiständeten Personen können in ihrem Alltag besser unterstützt und zur Selbständigkeit befähigt werden. Wenn mehr Zeit zur Verfügung steht, können Beistandspersonen frühzeitig Schwierigkeiten erkennen und darauf reagieren. Das verhindert persönliches Leid bei den Betroffenen und den Angehörigen sowie mögliche Folgekosten.

Die positive Wirkung einer Senkung der Falllast in der Existenzsicherung hat sich in der Stadt Winterthur bestätigt. Neben einer qualitativ besseren und effektiveren Begleitung wurde festgestellt, dass die Kosten pro Fall tiefer waren und es häufiger zu Ablösungen aus der Sozialhilfe kam. Im Endeffekt führte dies in Winterthur zu substanziellen Einsparungen in der Sozialhilfe in Millionenhöhe. Es zeigte sich zudem, dass die Mitarbeitenden zufriedener waren und die Personalfluktuation deutlich abnahm. Ein ähnlich positiver Effekt auf das Personal ist auch bei einer Senkung der Falllast bei den Beistandspersonen zu erwarten. Beim aktuellen Mangel an Fachpersonen im Sozialbereich ist dies entscheidend, um den gesetzlichen Auftrag in den beiden Bereichen zu erfüllen.

Für Stadtrat und Sozial- und Sicherheitsdirektor Martin Merki sind die geplanten Massnahmen ein wichtiger und wegweisender Schritt, damit soziale Unterstützung eine möglichst hohe Wirkung entfalten kann. Bei den Beistandschaften und in der Sozialarbeit muss genügend Zeit für die Begleitung der hilfsbedürftigen Menschen eingesetzt werden. «Wenn die Mitarbeitenden besser auf die einzelnen Menschen eingehen können, weil sie weniger Fälle betreuen müssen, dann ist der Gewinn auf zwei Seiten feststellbar: Bei den Mitarbeitenden, die ihren Auftrag besser und effektiver erfüllen und bei den anvertrauten Menschen, die gestärkt werden und damit bessere Perspektiven bekommen».

Antrag

Zur Senkung der Falllast beim Kinder- und Jugendschutz sowie beim Erwachsenenschutz beantragt der Luzerner Stadtrat beim Grossen Stadtrat für das Jahr 2023 einen Nachtragskredit von 366’600.– Franken und ab 2024 einen Sonderkredit von jährlich rund 1.38 Mio. Franken.

Er beantragt zudem beim Grossen Stadtrat zur Senkung der Falllast in der Existenzsicherung im Jahr 2023 einen Nachtragskredit über 248’200.– Franken und ab 2024 einen Sonderkredit von jährlich rund 1.31 Mio. Franken. Der Grosse Stadtrat wird die beiden Vorlagen voraussichtlich am 4. Mai 2023 beraten.

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Falllastsenkung Sozialbereich Medienmitteilung 13.03.2023 Download 0 Falllastsenkung Sozialbereich Medienmitteilung 13.03.2023
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