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7. Juni 2023
In Zusammenhang mit dem Bericht und Antrag 18/2022 vom 29. Juni 2022 und der Volksinitiative «Für den Erhalt des Servicegebäudes und der Lindenbäume am Bundesplatz» veröffentlicht die Geschäftsprüfungskommission des Grossen Stadtrates (GPK) ihren Untersuchungsbericht. In ihrer Rolle als Oberaufsicht des Grossen Stadtrates über die Geschäftsführung von Stadtrat und Verwaltung beantragt die GPK dem Stadtrat mehrere Empfehlungen zur Umsetzung.

Am 25. Oktober 2022 hatte die Geschäftsprüfungskommission des Grossen Stadtrates (GPK) beschlossen, gestützt auf Art. 56a des Geschäftsreglements des Grossen Stadtrates eine Subkommission zur Erfüllung der parlamentarischen Oberaufsicht zu bilden. Die Subkommission hatte den Auftrag zu prüfen, ob ein konkreter Sachverhalt im B+A 18/2022 vom 29. Juni 2022: «Initiative ‹Für den Erhalt des Servicegebäudes und der Lindenbäume am Bundesplatz›» korrekt dargelegt ist. Im Rahmen dieser Untersuchung hat sich die Subkommission mit dem Sachverhalt rund um die Abgabe des Servicegebäudes genauer befasst. Dabei ging es namentlich um das Ausmass der städtischen Aufwendungen für das Projekt, die Umstände der Zusage, welche den Vertrauensschutz begründete, sowie um eine mögliche Amtsgeheimnisverletzung im Kontext des städtischen Entscheidungsprozesses.

Zusicherung von Nutzungsrechten wirft Fragen auf

Im Rahmen seiner Sitzung vom 22. September 2022 hatte der Grosse Stadtrat den B+A 18/2022 beraten. Der darin vom Stadtrat vorgesehene Verzicht auf eine Ausschreibung für die Abgabe des Nutzungsrechtes des Dienstgebäudes gab Anlass zu Diskussionen. Da der Stadtrat der Einfachen Gesellschaft (EG) Bucher/Bühler bereits 2012 die Nutzung des Dienstgebäudes zugesichert habe, gab er an, aus Gründen des Vertrauensschutzes an der Zusicherung an die Initiantinnen und Initianten festzuhalten und auf eine Ausschreibung zu verzichten. Weiter diskutierte das Parlament den in der Vorlage enthaltenen Investitionsschutz, besonders, da die damalige Zusicherung unter der Bedingung erteilt worden sei, dass für die öffentliche Hand keine Kosten entstünden. Im Nachgang der Beratungen hatte sich die GPK mit dem Sachverhalt genauer befasst und beschlossen, bestehende Unklarheiten mit der Bildung einer Subkommission zu klären. Der Untersuchungszeitraum erstreckte sich vom Jahr 2011, als die privaten Interessenten erstmals an die Stadt gelangten, bis zum Jahr 2022, in dem der Grosse Stadtrat seinen Beschluss über den B+A verabschiedete.

Erkenntnisse des Untersuchungsberichts und Empfehlungen im Detail

I. Allgemeine Vergabepraxis

Zum Zeitpunkt der Zusicherung der Nutzung des Servicegebäudes am Bundesplatz an die EG Bucher/Bühler gab es mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 3. August 2011 zur Vergabe von Standplätzen am Luzerner Wochenmarkt und dessen Bestätigung durch das Bundesgericht bereits erste Anzeichen für eine Änderung der Vergabepraxis von öffentlichem Grund. Die Praxisänderung hin zu vermehrten Ausschreibungen wurde jedoch erst mit dem Urteil vom 21. Juli 2014 (Marroni-Standplätze) durch das Kantonsgericht rechtsverbindlich festgelegt. Die GPK stellt gestützt auf die Resultate des Untersuchungsberichts fest, dass die Stadt bereits mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts 2011 resp. der Bestätigung des Urteils durch das Bundesgericht 2012 Anzeichen gehabt hätte, welche für eine vermehrte öffentliche Vergabe von Nutzungen des öffentlichen Grundes sprachen.

Die GPK begrüsst, dass sich die rechtliche Situation inzwischen geklärt hat. Sie empfiehlt dem Stadtrat jedoch, mit verwaltungsinternen Weisungen, Leit- oder Richtlinien die konkrete Umsetzung von Vergaben von Nutzungen des öffentlichen Grundes zusätzlich stärker prozessual abzusichern.

II. Umstände der Zusicherung und Belastbarkeit des Vertrauensschutzes

Der vorliegende Untersuchungsbericht gibt Aufschluss darüber, unter welchen Umständen und in welcher Form die Zusicherung für die Nutzung des Servicegebäudes damals an die EG Bucher/Bühler erfolgte. Gestützt auf den Untersuchungsbericht hat die GPK aus verschiedenen Gründen Zweifel an der Belastbarkeit des Vertrauensschutzes, welche den Verzicht auf eine Ausschreibung der Nutzung begründete.

  • Die Aktenlage zur ursprünglichen Zusicherung im Jahr 2012 ist mit nur einem Dokument (Protokollnotiz Nr. 32 vom 12. Juni 2012) dünn.
  • Aus Sicht der Subkommission erfolgte die Zusicherung, sofern es eine solche überhaupt gab, nicht vorbehaltlos, sondern unter bestimmten Bedingungen, welche sich zudem verändert haben. Namentlich erfolgt die Abgabe nicht im Baurecht und zu marktkonformen Bedingungen.
  • Die Belastbarkeit des Vertrauensschutzes ist weiter anzuzweifeln, da im Jahr 2012 kein formeller Beschluss gefällt wurde und die Drittpersonen nicht in einer formellen, dokumentierten Weise über den Inhalt des Entscheids informiert wurden.
  • Auch der dokumentierte Aufwand der städtischen Dienststellen ist aus Sicht der Subkommission überschaubar und lässt sich folglich nicht als Argument für den Vertrauensschutz anführen.

Die GPK empfiehlt dem Stadtrat, die Abläufe rund um die Kommunikation und Dokumentation von Entscheidungen des Stadtrates zu prüfen und hier entsprechende Prozesse einzurichten, sodass die Entscheidungen nachträglich nachvollziehbar sind.

III. Entscheidungsprozess des Stadtrats

Der Untersuchungsbericht zeigt auf, dass sich im konkreten untersuchten Fall der Stadtrat zwischen 2012 und 2022 an sieben Sitzungen mit der Vergabe des Dienstgebäudes am Bundesplatz befasst hatte. Zum Geschäft «Umnutzung Servicegebäude Bundesplatz Luzern: Nutzungszusicherung», das an der Sitzung vom 13. Juni 2012 traktandiert war, gibt es jedoch kein Protokoll und keinen formellen Beschluss. Das besagte Geschäft war im Stadtrat als Kommunikationsgeschäft traktandiert (K-Geschäft) worden und nicht als Beschlussgeschäft (formeller Entscheid). Die fehlende Protokollierung der Stadtratssitzungen, namentlich der Sitzung vom 13. Juni 2012 und vom 15. Mai 2019, welche eine Nutzungszusicherung des Servicegebäudes begründen würde, erlaubte es nicht, den Entscheidungsprozess des Stadtrates genau nachzuvollziehen. Obwohl die Geschäfte jeweils als Kommunikationsgeschäfte traktandiert waren, zu denen keine Beschlüsse gefasst werden, hat der Stadtrat an diesen Sitzungen de facto Entscheide getroffen.

Damit auch bei Geschäften ohne formellen Beschluss eine Nachvollziehbarkeit gegeben ist, regt die GPK an, die Protokollierung für alle Geschäftsarten zu verbessern. Die GPK erwartet, dass durch die Protokollierung auch Geschäfte ohne Beschluss inhaltlich nachvollzogen werden können. Die GPK empfiehlt dem Stadtrat, bei Entscheidungen stärkere Transparenz über die Geschäftsart und die damit verbundene formelle Bedeutung der Entscheidung zu schaffen.

IV. Potenzielle Amtsgeheimnisverletzung

In einem Schreiben der EG Bucher/Bühler vom 19. April 2019 beziehen sich die Initiantinnen und Initianten der Volksinitiative «Für den Erhalt des Servicegebäudes und der Lindenbäume am Bundesplatz» explizit auf die Protokollnotiz Nr. 32 des Stadtrates. Der Untersuchungsbericht zeigt, dass die EG Bucher/Bühler den Inhalt der Protokollnotiz kannte und ihr die Protokollnotiz wahrscheinlich vorlag. Externe Dritte haben damit auf nicht dokumentierte Weise verwaltungsinterne Informationen erhalten, bevor diese ihnen aktenkundig übermittelt wurden. Dies geschah gemäss den Akten erst mit dem Stadtratsbeschluss vom 29. Mai 2019, welcher einen Briefteil an die EG Bucher/Bühler enthält, in dem der Stadtrat die Abgabe des Gebäudes ohne öffentliche Ausschreibung bekräftigt. Weiter zeigt das Schreiben vom 19. April 2019, dass die EG Bucher/Bühler vor der erneuten Traktandierung des Themas im Stadtrat am 15. Mai 2019 erfuhr, dass «der Stadtrat beabsichtigt, die uns bereits zugesagte Übergabe im Baurecht des Servicegebäudes […] öffentlich auszuschreiben». Der Untersuchungsbericht der GPK spricht dafür, dass die Geheimhaltungspflicht verletzt wurde.

Da die Stadt Luzern noch kein Öffentlichkeitsprinzip kennt, weist die GPK darauf hin, dass der heute geltenden Geheimhaltungspflicht eine hohe Bedeutung beizumessen ist. Die Angaben in einem im Untersuchungsbericht zitierten Schreiben der EG Bucher/Bühler sprechen aus Sicht der GPK dafür, dass die Geheimhaltungspflicht verletzt wurde. Die GPK hält ausdrücklich fest, dass Informationen über eine mögliche Ausschreibung schützenswert sind und sollten u.a. aus Gründen der Gleichbehandlung grundsätzlich nicht vorzeitig an einzelne potenzielle Mitbewerbende gelangen.

Die GPK empfiehlt dem Stadtrat, die spezifischen Bedingungen der Geheimhaltungspflicht nach Art. 41 des Personalreglements der Stadt Luzern intern zu klären und in Ergänzung zur bestehenden Regelung nach Art. 19 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Stadtrates alle Mitarbeitenden dafür zu sensibilisieren. Überdies legt die GPK dem Stadtrat nahe, bei möglichen Verletzungen der Geheimhaltungspflicht rechtliche Schritte zu prüfen.

V. Investitionsschutz

Der Untersuchungsbericht zeigt auf, dass der Stadtrat dem Projekt 2012 seine Zustimmung unter der Bedingung erteilte, dass Lösungen für das Depot des Strasseninspektorats sowie die Verlegung der Trafostation der ewl gefunden werden und durch die Realisierung des Projekts für die öffentliche Hand keine Kosten entstehen. Die Bedingung, dass der öffentlichen Hand keine Kosten entstehen dürfen, hat sich mit der Einführung des Investitionsschutzes relativiert. Der öffentlichen Hand entstehen Kosten, falls das Servicegebäude infolge des kantonalen Strassenbauprojektes frühzeitig rückgebaut werden müsste und die Initiantinnen und Initianten deshalb ihre Investitionen nicht amortisieren könnten. Zum Zeitpunkt der erneuten Nutzungszusicherung im Mai 2019 war der Investitionsschutz im Stadtrat noch kein Thema. Die GPK stellt indes fest, dass die Umwelt- und Mobilitätsdirektion den Investitionsschutz erst im Rahmen der Bearbeitung der Initiative aufgebracht hat. Denn zu diesem Zeitpunkt war klar, dass zwischen der EG Bucher/Bühler und dem Kanton keine vertragliche Regelung gefunden wird.

Allgemein hält die GPK fest, dass es sich beim Investitionsschutz um Kosten für die öffentliche Hand handelt. Unter Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens sind sie klar auszuweisen.

VI. Feststellungen zur Zusammenarbeit mit den Direktionen

Die GPK begrüsst, dass im Rahmen der Untersuchung und für die Erfüllung der parlamentarischen Oberaufsicht der Stadtrat Mitarbeitende rasch von der Geheimhaltungspflicht entbunden hat. Mit der heutigen Regelung, dass die Mitarbeitenden auch gegenüber den Aufsichtskommissionen und deren Subkommissionen an die Geheimhaltungspflicht gebunden sind und eine Entbindung per Stadtratsbeschluss notwendig ist, werden Abklärungen im Rahmen der Oberaufsicht jedoch verzögert oder allenfalls gar behindert. Für die Wahrnehmung der Oberaufsicht ist es für die parlamentarischen Aufsichtskommissionen unabdingbar, dass sie rechtzeitig über die relevanten Informationen verfügen und ihnen diese nicht vorenthalten werden können.

Die GPK empfiehlt eine Revision von Art. 63 des Geschäftsreglements des Grossen Stadtrates. Mit der neuen Regelung sollen die Aufsichtskommissionen ohne vorgängige Entbindung weitergehende Auskünfte und Einsicht in Akten aus dem Stadtrat und der städtischen Verwaltung erhalten, analog zum neuen § 27c im Gesetz über die Organisation und Geschäftsführung des Kantonsrates.

Stellungnahme des Stadtrates wird von der GPK zur Kenntnis genommen

Bei der Erarbeitung des Untersuchungsberichts gewährte die GPK dem Stadtrat ein rechtliches Gehör. Der Stadtrat hat dieses genutzt und hat zum vorliegenden Sachverhalt, und zu den Erkenntnissen und Empfehlungen des Untersuchungsberichts Stellung genommen.

Die Empfehlung zur allgemeinen Vergabepraxis wird vom Stadtrat abgelehnt, da sich rechtliche Grundlagen geklärt haben und die Praxis verwaltungsintern angepasst wurde. Der Stadtrat möchte die Umsetzung von Vergaben nicht stärker prozessual abstützen. Aufgrund des vorliegend untersuchten Falls und der bekannten Rechtsfälle sind aus Sicht der GPK möglichst klare und starke prozessuale Absicherungen des Vergabeprozesses anzustreben. Trotz der aufgezeigten rechtlichen Vorgaben hält die GPK an der Empfehlung fest, dass verwaltungsinterne schriftliche Weisungen oder Richt- oder Leitlinien betreffend die Vergaben erlassen werden.

Zu den Umständen der Zusicherung und Belastbarkeit des Vertrauensschutzes schliesst sich die GPK der Korrektur des Stadtrates bezüglich der kreditrechtlichen Zuordnung des öffentlichen Grundes zum Verwaltungsvermögen an. Bei der Unterscheidung zwischen öffentlichem Grund und Verwaltungsvermögen ging es um den Wechsel der Zuständigkeit von der Baudirektion zur Umwelt- und Mobilitätsdirektion. Ungeachtet davon, dass die Rechtsprechung sich verändert hat und nach dem Bundesgerichtsurteil die Stadtregierung bereits im Jahr 2013 die direkte Vergabe einer Konzession für einen Gastronomiebetrieb als sehr heikel beurteilte (Bericht der Subkommission GPK [Bundesplatz]). Der Stadtrat ist aber mit den Erkenntnissen des Untersuchungsberichts einig, dass für die Vergabe des Servicegebäudes im Jahr 2012 kein formeller Beschluss des Stadtrats gefällt wurde, was eine wichtige Erkenntnis des Untersuchungsberichts bestätigt.

Die Rolle der GPK als Oberaufsicht des Grossen Stadtrates

Die Subkommission GPK (Bundesplatz) wurde damit beauftragt, einen konkreten Sachverhalt im B+A 18/2022 im Zusammenhang mit der Volksinitiative «Für den Erhalt des Servicegebäudes und der Lindenbäume am Bundesplatz» zu prüfen. Mit der Veröffentlichung des vorliegenden Untersuchungsberichts erachtet die GPK den Auftrag der Subkommission als erledigt. Mit dem vorliegenden Untersuchungsbericht hat die GPK zudem ihre Funktion als parlamentarische Oberaufsicht unter Einhaltung von elementaren Grundsätzen wahrgenommen: Die GPK erteilt im Rahmen der parlamentarischen Oberaufsicht keine Weisungen, behielt im Rahmen der Untersuchung das Gesamtinteresse im Blick, verfolgte eine sachliche Analyse des zu untersuchenden Sachverhalts und verfolgt das Ziel, mit ihren Empfehlung das Vertrauen in die politischen Behörden zu stärken. Die GPK erachtet diese Grundsätze für die Ausübung ihrer Oberaufsichtsfunktion als elementar.

Die GPK hat den Bericht «Subkommission GPK (Bundesplatz)» zustimmend zur Kenntnis genommen und beantragt dem Stadtrat die oben genannten Empfehlungen zur Umsetzung.

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