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21. November 2022
Ein drohender Energiemangel ist in aller Munde. Stadtrat Adrian Borgula erklärt
im Interview, wie sich die Stadt Luzern auf solch einen Fall vorbereitet und warum ein warmer Pulli oder ein Faserpelz enorm beim Energiesparen hilft.

Interview: Simon Rimle

Stadtrat Adrian Borgula
Im Büro wie auch zu Hause trägt Stadtrat Adrian Borgula einen warmen Pulli: Wenn alle Stadthaushalte 1 Grad weniger heizen, sparen wir bis April 2023 rund 20 Millionen Kilowattstunden oder den jährlichen Stromverbrauch von über 5000 Vierpersonenhaushalten.

Vor Kurzem war die Sorge vor einer Energiemangellage gross. Aktuell scheint sich die Lage zu entspannen. Stimmt die Einschätzung?
Gemäss unserem Informationsstand ist die Energieversorgung in der Schweiz derzeit sichergestellt, und es gibt auch positive Signale. Aber die Entwicklung an verschiedenen Brennpunkten bleibt sehr ungewiss, was allein der Blick nach Russland und in die Ukraine zeigt. Deshalb bleibt die Sorge vor einer Energiemangellage im nächsten Frühling oder vor allem auch im darauffolgenden Winter. Nachlassen wäre jetzt falsch.

Wie bereitet sich die Stadt Luzern darauf vor?
Wir sind gut aufgestellt und haben nicht zuletzt seit der Coronapandemie auch viel Erfahrung im Umgang mit Krisen. Seit Anfang September sind sowohl der Gemeindeführungsstab (GFS) wie auch der verwaltungsinterne Krisenstab BENO im Einsatz. Sie beobachten die Entwicklung der Lage genau. Sie haben auch die Energiesparmassnahmen erarbeitet und dem Stadtrat vorgelegt. Weiter bereiten sie sich anhand verschiedener Szenarien auf die Auswirkungen einer drohenden Energiemangellage vor.

Die Stadt Luzern hat ein Energiesparpaket beschlossen und Ende September kommuniziert. Was sind die Gründe?
Wir müssen mit aller Macht verhindern, dass wir in eine Energiemangellage kommen, im Extremfall mit Strom- und Gasabschaltungen. Der Städteverband hat schon früh überlegt, welche Massnahmen für Städte infrage kommen. An diesen hat sich die Stadt Luzern orientiert. Für uns im Stadtrat war rasch klar, dass wir mit gutem Beispiel vorangehen müssen, um auch andere zum Energiesparen zu bewegen.

Die Strassenlampen brennen aber noch immer.
Der Stadtrat will vor allem Massnahmen umsetzen, die rasch und einfach realisierbar sind. Insbesondere zielt er auf Massnahmen, die zwar eine gewisse Komforteinbusse bringen können, die aber nicht grundlegende Bedürfnisse der Menschen betreffen. In der aktuellen Lage wollen wir deshalb aus Sicherheitsüberlegungen nicht auf die übliche Beleuchtung der Strassen verzichten.

Auf die Beleuchtung öffentlicher und historischer Gebäude wird aber verzichtet. Haben Sie kritische Rückmeldungen?
Von negativen Rückmeldungen ist mir nichts bekannt. Der Blick auf Wasserturm und Kapellbrücke ist ein gutes Beispiel für unsere Überlegungen. Einen beleuchteten Wasserturm empfinden viele gerade in dunkleren Jahreszeiten als schön, aber es ist kein Muss. Die Kapellbrücke selbst ist ein wichtiger Fussweg und wird deshalb innen so beleuchtet wie üblich. Beim Betrachten ist kaum ein Unterschied zu vorher zu spüren.

Aber lohnt sich das überhaupt? Wie viel Energie wird denn gespart?
Jeder Beitrag und jede eingesparte Kilowattstunde zählt. Mit dem Verzicht auf die Beleuchtung historischer und öffentlicher Gebäude sparen wir von November bis März zirka 70’000 Kilowattstunden. Das entspricht immerhin etwa dem jährlichen Stromverbrauch von 20 durchschnittlichen Vierpersonenhaushalten.

Sie haben einmal gesagt, dass der grösste Spareffekt beim Heizen erzielt werden kann.
Ja, das ist so, deshalb legen wir auch einen grossen Schwerpunkt darauf. Auch hier will die Stadt Vorbild sein für die Unternehmen wie auch für die Bevölkerung. Es ist wirklich nicht nötig, auch im Winter im T-Shirt im Büro zu arbeiten. Wenn wir durch das Runterdrehen der Heizung auf 19 Grad viel Energie sparen können und es uns unter anderem dadurch gelingt, Abschaltungen zu verhindern, dann erachte ich dies als absolut tragbar.

Erhoffen Sie sich durch die aktuelle Diskussion auch nachhaltige Effekte für die Zukunft?
Absolut. Wir müssen unserem Planeten Sorge tragen und die Klimakrise bekämpfen. Der sorgsame Umgang mit allen natürlichen Ressourcen wird immer wichtiger. Dies wird jetzt einer breiten Öffentlichkeit bewusst, ebenso unsere Abhängigkeit von öl- und gasexportierenden Ländern mit oft höchst problematischen Regimes. Die Tipps des Bundes zeigen eindrücklich auf, dass uns das Energiesparen eigentlich nicht wirklich in unserem Leben beeinträchtigt. Gleichzeitig sorgen wir mit dem nötigen Ausbau der erneuerbaren Energien für viel mehr regionale Wertschöpfung.

Wie stark hilft die Klima- und Energiestrategie der Stadt Luzern schon jetzt zur Vorbeugung gegen eine drohende Energiemangellage?
Die 32 Massnahmen unserer Klima- und Energiestrategie zielen vor allem auf eine langfristige Wirkung. Aktuell benötigen wir Massnahmen, die kurzfristig wirken, aber auch auf lange Frist selbstverständlich werden können. Das deutliche Ja der Stadtluzerner Bevölkerung am 25. September 2022 zeigt auf, dass die Stadt Luzern bereit ist, sich für das Klima und gegen Energieverschwendung einzusetzen. Dies stimmt mich enorm zuversichtlich sowohl für die heutigen wie auch für die zukünftigen Herausforderungen.

Stadt will 1,2 Millionen Kilowattstunden sparen

Die Stadt Luzern will Bund und Kanton unterstützen und einen Beitrag leisten, um die drohende Energiemangellage zu verhindern. Dabei verzichtet sie auf Massnahmen, welche die Sicherheit tangieren oder eine Wirtschaftstätigkeit verunmöglichen. Sie konzentriert sich auf Massnahmen, die Komforteinbussen mit sich bringen. Der Stadtrat hat ein Massnahmenpaket verabschiedet, das bis März 2023 mindestens 1,2 Millionen Kilowattstunden einsparen soll.

Konkrete Energiesparmassnahmen Stadt Luzern

  • Die Raumtemperatur in Büroräumen, allgemeinen Sitzungszimmern, Schulungsräumen und Lehrpersonenzimmer ist auf 19 °C eingestellt. Die Temperatur in Unterrichtszimmern und Korridoren der Volksschule beträgt 20 °C.
  • In den Verwaltungsgebäuden ist das Warmwasser bei kleinen dezentralen Boilern abgeschaltet.
  • In der Stadtverwaltung werden wo immer möglich nachts und an Wochenenden die Fenster und Rollläden geschlossen.
  • Die Monitore, Drucker, Kopierer, Desktops sowie die Aufbewahrungswagen für Notebooks an den Schulen werden jede Nacht vom Strom getrennt.
  • Die städtischen «Richtlinien Energie und Gebäudetechnik für städtische Liegenschaften» werden umgesetzt: Beim Ersatz werden nur Geräte und Anlagen mit höchster Energieeffizienz beschafft. Auf den Betrieb von elektrischen Luftbefeuchtern, mobilen Heizöfen usw. wird verzichtet.
  • Die Mitarbeitenden benützen wenn immer möglich die Treppe statt den Lift.
  • Auf Weihnachtsbeleuchtungen in den Verwaltungsgebäuden wird verzichtet.
  • Die öffentlichen und historischen Gebäude werden bis auf Weiteres nicht mehr beleuchtet.
  • Im Rahmen von Bewilligungsverfahren für Veranstaltungen im öffentlichen Raum haben die Gesuchstellenden darzulegen, welche Sparmassnahmen geprüft wurden und umgesetzt werden.

Weitere Sensibilisierung

  • Die Energiesparmassnahmen der Gesellschaften mit städtischer Beteiligung werden unterstützt. Gleichzeitig sind sie aufgefordert, laufend weitere Sparmassnahmen zu prüfen und umzusetzen.
  • Der Stadtrat hat weitere stadtnahe Betriebe und ausgewählte Organisationen der Wirtschaft mit einem Schreiben über die Massnahmen der Stadt informiert und aufgefordert, ebenfalls Energiesparmassnahmen zu ergreifen bzw. von ihren Mitgliedern einzufordern.
  • Mieterinnen und Mieter von städtischen Liegenschaften wurden per Schreiben zu Energiesparmassnahmen aufgefordert.
  • Auf den Social-Media-Kanälen der Stadt Luzern werden laufend die Aktivitäten rund um das Energiesparen geteilt, sei es auf Instagram, Facebook, LinkedIn oder Twitter. Unter anderem werden auch die Energiespartipps des Bundes: www.nicht-verschwenden.ch weiterverbreitet sowie weitere Hinweise zu Energiesparmassnahmen geteilt.
  • Der städtische Umweltschutz sensibilisiert mit Standaktionen fürs Energiesparen.

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Stadtmagazin 4/2022