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19. Mai 2021
Die frühen Lebensjahre sind besonders bedeutend für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Die Corona-Pandemie birgt die Gefahr, dass sie vermehrt innerfamiliären Konflikten ausgesetzt sind. Am 19. Mai 2021 hat die Stadt Luzern deshalb die Fachtagung «Der lange Schatten der Corona-Krise – häusliche Gewalt und fehlende Perspektiven» durchgeführt. Thematisiert wurden insbesondere die Folgen, Frühwarnzeichen und Massnahmen bei häuslicher Gewalt.

Verletzungen der körperlichen, psychischen oder sexuellen Integrität oder das Miterleben elterlicher Paargewalt können sich negativ auf die gesunde Lebensführung von Kindern und Jugendlichen auswirken. Durch die Corona-Pandemie kann es vermehrt dazu kommen, dass sie innerfamiliären Konflikten ausgesetzt sind und direkte oder indirekte Gewalt erfahren. Für Angela Marfurt, Präsidentin der KESB Luzern, war an der heutigen Fachtagung der Stadt zu diesem Thema klar: «Häusliche Gewalt betrifft immer auch die Kinder und hat Einfluss auf ihre Entwicklung. Deshalb muss man in jedem Fall genau hinschauen.» 

Die Pandemie verstärkt bestehende Risikofaktoren

Gemäss einer Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften von 2018 haben knapp zwei Drittel aller Jugendlichen bereits elterliche Gewalt erlebt. Rund 20 Prozent erlitten gar schwere Gewalt wie Schläge mit Gegenständen oder der Faust. Von schwerer elterlicher Gewalt doppelt so häufig betroffen sind Jugendliche, die selbst oder deren Eltern Arbeitslosengeld beziehen. Eine aktuelle Studie der Hochschule Luzern (HSLU) aus dem Jahr 2020 zu innerfamiliärer Gewalt zeigt auf, dass bereits vor der Pandemie bestehende Risikofaktoren auch für das Ausmass innerfamiliärer Gewalt während der Pandemie besonders relevant sind.

Die Bereichsleiterin der Kinder- und Jugendhilfe Stadt Luzern, Christina Reusser, bestätigte diese Erkenntnisse: «Im vergangen Jahr zeigten sich vor allem zwei Tendenzen: laufend höhere Mandatszahlen sowie eine Zuspitzung von Konflikten und Spannungen im häuslichen Umfeld, die bereits vor der Pandemie bestanden.» Prof. Dr. Andreas Jud, Lehrstuhl «Epidemiologie und Verlaufsforschung im Kinderschutz» am Uniklinikum Ulm und Dozent/Projektleiter an der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit, betonte: «Armut und Arbeitslosigkeit erhöhen die Gewaltbetroffenheit. Eine Verbesserung von Lebensumständen ist entsprechend auch Gewaltprävention». 

Prävention lohnt sich

Gemäss dem Europäischen Bericht über die Prävention von Kindesmisshandlung von 2013 sind direkte und indirekte Misshandlungen von Kindern um ein Vielfaches häufiger, als die Anzahl effektiver Meldungen erscheinen lässt. Oft ist dies der Fall, da für die Opfer die Hürden hoch sind, entsprechende Unterstützungsangebote in Anspruch zu nehmen.

Langfristig führen solche Misshandlungen zu Beeinträchtigungen der psychischen und physischen Gesundheit, schlechteren Bildungs- und Anstellungsaussichten, negativen sozialen Konsequenzen und auch zu hohen gesellschaftlichen Kosten. Präventive Massnahmen wie Hausbesuche oder Elternbildung können sich gemäss Bericht lohnen und negative Langzeitfolgen verhindern. Prof. Dr. Dirk Baier, Leiter des Instituts für Delinquenz und Kriminalprävention der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, teilte an der Fachtagung diese Einschätzung: «Häusliche Gewalt ist vielfältig. In den zurückliegenden Jahren und insbesondere während des letzten Jahres hat das Phänomen, völlig zurecht, erhöhte gesellschaftliche Aufmerksamkeit erhalten». Die individuellen und gesellschaftlichen Kosten häuslicher Gewalt seien immens. «Umfassende Präventionsanstrengungen in diesem Bereich bleiben daher eine zentrale Aufgabe», ergänzt Prof. Dr. Baier. Sein Kollege, Prof. Dr. Andreas Jud, fügte hinzu: «Der Gewaltkontext wird häufig an die nächste Generation weitergegeben. Verbesserte Prävention und Intervention schmälern nicht nur das Leid der Betroffenen, sondern verringern auch nachhaltig die Gewalt in der Gesellschaft».

Die Stadt Luzern bietet Unterstützung

Die Abteilung Kinder Jugend Familie der Stadt Luzern ist Kompetenzzentrum und Anlaufstelle für sämtliche Anliegen rund um die Thematik Familie. Sie bietet Kindern, Jugendlichen und Familien ein umfangreiches Unterstützungsangebot zu Themen wie Erziehung, Freizeitgestaltung sowie Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) ist für sämtliche erstinstanzliche Entscheide im Kindes- und Erwachsenenschutz zuständig. Unter anderem klärt sie Gefährdungsmeldungen ab und ordnet – wenn anderweitige Unterstützung nicht ausreicht – eine Schutzmassnahme an.

Die Referierenden und Podiumsteilnehmenden der Tagung waren:

  • Prof. Dr. Dirk Baier, Leiter Institut für Delinquenz und Kriminalprävention der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften
  • Prof. Dr. Andreas Jud, Lehrstuhl «Epidemiologie und Verlaufsforschung im Kinderschutz» am Universitätsklinikum Ulm und Dozent/Projektleiter an der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit
  • Angela Marfurt, lic. iur. Rechtsanwältin und Präsidentin der KESB Luzern
  • Tina Furrer, Berufsbeiständin Kinder- und Jugendschutz Stadt Luzern
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Fachtagung KJF Medienmitteilung 19.05.2021 (PDF, 237.95 kB) Download 0 Fachtagung KJF Medienmitteilung 19.05.2021