Gleichzeitig kann Beihilfe zum Suizid unter keinen Umständen als Teil des ärztlichen und des pflegerischen Auftrags der Betagtenzentren und Pflegewohnungen verstanden werden. Im Gegenteil: Medizinischer und pflegerischer Beistand wird als Fürsorge zum Leben und nicht als Beistand zu dessen Beendigung begriffen. Auch deshalb hat Palliative Care in den vergangen Jahren in den Betagtenzentren und Pflegewohnungen eine grosse Bedeutung gewonnen. Palliative Care umfasst nicht nur Schmerzlinderung, sondern auch soziale, psychische und religiösspirituelle Unterstützung des von einer unheilbaren, fortschreitenden Erkrankung betroffenen Menschen und seines Umfeldes – mit dem Ziel, die bestmögliche Lebensqualität auch während der letzten Lebensphase zu gewährleisten. Häufig verschwinden nicht zuletzt dank Palliative Care Suizidwünsche.
Die Betagtenzentren und Pflegewohnungen der Stadt Luzern stehen heute in einem Span-nungsfeld zwischen ihrem Bestreben, den Heimbewohnerinnen und -bewohnern ein möglichst normales, selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen und ihrem pflegerischen und ärztlichen Auftrag, der als Fürsorge zum Leben verstanden wird. Mit dem Bericht "Regelung Beihilfe zum Suizid in den Betagtenzentren und Pflegewohnungen der Stadt Luzern" informiert der Stadtrat das Parlament und die Öffentlichkeit, wie er die Beihilfe zum Suizid in den Betagtenzentren und Pflegewohnungen mit entsprechenden Schutzbestimmungen sowie flankierenden Massnahmen zu regeln gedenkt, um der erwähnten Selbstbestimmung der Heimbewohnerinnen und -bewohner wie auch dem eigentlichen Schutzauftrag der Heime Rechnung tragen zu können.
Auch bei bester palliativer Pflege wird es nicht möglich sein, allen Menschen in der letzten Lebensphase ein Leben mit möglichst wenig Leiden zu ermöglichen. Einzelne pflegebedürftige Menschen werden weiterhin den Wunsch nach Selbsttötung unter Beihilfe einer Sterbehilfeorganisation äussern. Deshalb braucht es eine klare Regelung, unter welchen Bedingungen ein begleiteter Suizid in den städtischen Betagtenzentren und Pflegewohnungen möglich sein soll. Der Stadtrat stützt sich dabei auf die von der Nationalen Ethikkommission (NEK) formulierten Sorgfaltskriterien sowie auf die von den Städten Bern und Zürich eingesetzten Schutzbestimmungen. Die mittlerweile zehnjährige Erfahrung der Stadt Zürich mit der Zulassung des begleiteten Suizids in ihren Alterseinrichtungen zeigt, dass Suizidbeihilfe in den einzelnen Institutionen nach wie vor äusserst selten vorkommt und dass sich die Regelung in der Praxis bewährt hat und beibehalten werden soll.
Der Stadtrat wird auf diesem Hintergrund für die Betagtenzentren und Pflegewohnungen der Stadt Luzern per 1. Juli 2012 die folgenden Schutzbestimmungen einsetzen:
Beihilfe zum Suizid ist nicht erlaubt:
- bei nicht urteilsfähigen Menschen, z. B: infolge fortgeschrittener Demenz sowie bei Menschen mit psychischen Erkrankungen,
- wenn Druck durch Dritte ausgeübt wird,
- wenn Beihilfe zum Suizid durch Privatpersonen ausgeübt werden soll.
Beihilfe zum Suizid darf in der Institution erfolgen wenn:
- die Urteilsfähigkeit und Tatherrschaft der suizidwilligen Person eindeutig feststeht,
- die suizidwillige Person an einer weit fortgeschrittenen, unheilbaren Krankheit leidet und angenommen werden kann, dass das Lebensende nahe ist,
- der Suizidwunsch trotz bestmöglicher Pflege und medizinischer Betreuung unter Berücksichtigung von Palliative Care dauerhaft anhält,
- die suizidwillige Person kein anderes Zuhause ausserhalb der Institution hat,
- die Suizidbeihilfe durch eine Sterbehilfeorganisation geleistet wird und
- die Institution nach eingehender Prüfung der genannten Punkte der Beihilfe zum Suizid zustimmt.
Mit dieser Regelung erfolgt im Grundsatz eine Gleichstellung mit älteren Menschen, die in einer Privatwohnung leben und sich entschliessen, unter Beihilfe einer Sterbehilfeorganisation Suizid zu begehen. In den Betagtenzentren und Pflegewohnungen der Stadt Luzern werden jedoch zusätzliche Massnahmen ergriffen, um Missbräuche zu vermeiden und Suizide zu verhindern. Die Schutzbestimmungen sowie das Vorgehen zur Prüfung von alternativen palliativen Möglichkeiten und zur Überprüfung der Einhaltung der Bestimmungen werden vom Stadtrat nun in Form einer Weisung auf den 1. Juli 2012 in den Betagtenzentren und Pflegewohnungen der Stadt Luzern eingeführt.
Der Stadtrat ist sich bewusst, dass er mit der Zulassung des begleiteten Suizids in den städti-schen Alterseinrichtungen in seiner Alterspolitik gleichzeitig klare Zeichen gegen eine gesell-schaftliche Abwertung und zum Schutz von stark pflegebedürftigen Mitmenschen setzen muss. Er macht dies, indem er sich zu einer qualitativ optimalen Betreuung pflegebedürftiger Menschen in den ambulanten und stationären Alterseinrichtungen bekennt.
Regelung Beihilfe zum Suizid in den Betagtenzentren und Pflegewohnungen der Stadt Luzern (Bericht 22/2011)
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