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31. März 2023
Im Kindes- und Erwachsenenschutz sowie in der Existenzsicherung in der Stadt Luzern soll die Fallbelastung der Mitarbeitenden markant gesenkt werden. Damit können eine umfassendere Begleitung und eine individuellere Beratung sowie eine bessere Integration erreicht werden. Insbesondere bei der Sozialhilfe werden mit einer individuell angepassten Begleitung schnellere und mehr Sozialhilfe-Abschlüsse möglich, wie Erfahrungen in anderen Städten zeigen. Deshalb sollen mehr Stellen für Beistandschaften (im Kindes- und Erwachsenenschutz) und in der Existenzsicherung geschaffen werden. Die Arbeitsbelastung der Sozialarbeitenden verringert sich damit und der Fachkräftemangel kann bekämpft werden. Die Stadt Luzern wird als Arbeitgeberin für Sozialarbeitende wieder attraktiv.

Die Sozialkommission des Grossen Stadtrates hat sich an ihrer Sitzung vom 23. März 2023 mit einer markanten Reduktion der Falllast im Sozialbereich auseinandergesetzt und empfiehlt dem Grossen Stadtrat deutlich die Zustimmung zu folgenden beiden Berichten und Anträgen (B+A):

  • B+A 3/2023 «Reduktion der Falllast in der Existenzsicherung (Soziale Dienste). Sonder- und Nachtragskredit»
  • B+A 4/2023 «Reduktion der Falllast im Erwachsenenschutz (Soziale Dienste) und im Kinder- und Jugendschutz (Kinder Jugend Familie). Sonder- und Nachtragskredit»

Der Kinder- und Jugendschutz sowie der Erwachsenenschutz der Stadt Luzern begleiten Personen, die hilfs- und schutzbedürftig sind und nicht selber für ihr Wohlergehen sorgen können. Heute führt eine Beistandsperson mit Vollzeitpensum im Kinder- und Jugendschutz 65 Mandate. Beim Erwachsenenschutz sind es 86 Mandate pro Vollzeitstelle. Das ist deutlich mehr, als von Fachleuten und Fachorganisationen empfohlen wird. Als Konsequenz steht pro Mandat weniger Zeit zur Verfügung, als eigentlich nötig wäre, um den gesetzlichen Auftrag zu erfüllen. Mit dem Postulat 85 «Reduktion der Fallbelastung im Kindes- und Erwachsenenschutz» vom 12. April 2021 wurde der Stadtrat aufgefordert, diesen Mangel zu beheben und eine Reduktion der Falllast im Kindes- und Erwachsenenschutz zu prüfen.

Beistandspersonen begleiten oftmals Menschen in sehr komplexen Lebenssituationen. Die zeitgleiche Begleitung von heute bis zu 86 Personen und Familien bzw. 65 Kindern oder Jugendlichen ist fachlich sehr anspruchsvoll und würde oftmals mehr Zeit benötigen. Aktuell haben Beistandspersonen nicht die nötigen Ressourcen und sind in ihrer Arbeit stark belastet. Die im Juni 2021 veröffentlichten Empfehlungen der interkantonalen Fach- und Direktorenkonferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz (KOKES) bestätigen dies. Sie empfehlen, die Falllast deutlich zu senken.

Die Falllast pro Vollzeitstelle soll wie folgt gesenkt werden:

Grafik 1

Im Bereich «Existenzsicherung» fallen unter anderem die Anspruchsprüfung und die Ausrichtung der finanziellen Leistungen der wirtschaftlichen Sozialhilfe. Neben der Begleitung der Klientinnen und Klienten sind die Sozialarbeitenden auch für die Prüfung und Geltendmachung von subsidiären Ansprüchen (unter anderem Sozialleistungen wie IV, ALV, Stipendien) zuständig. Es existieren verschiedene Empfehlungen zur Fallbelastung in der Sozialhilfe für grössere Sozialdienste. Sie bewegen sich zwischen 60 und 80 Fällen auf eine Vollzeitstelle. Die Stadt Luzern liegt deutlich darüber. Mit dem Postulat 84 «Reduktion der Fallbelastung in der Sozialhilfe» vom 12. April 2021 wurde der Stadtrat aufgefordert, eine Reduktion der Falllast zu prüfen und die notwendige Personalaufstockung zeitnah und innerhalb maximal zweier Jahre zu realisieren.

Eine übermässige Fallbelastung in der Sozialhilfe wirkt sich negativ auf die Qualität der erbrachten sozialarbeiterischen Leistungen aus. Je mehr Dossiers eine Fachperson zu bearbeiten hat, umso weniger Zeit steht für Abklärungen, Begleitung und Beratung zur Verfügung. Es ist für die Sozialarbeitenden zunehmend schwieriger, aufgrund fundierter Abklärungen geeignete Massnahmen einzuleiten und so präventiv, proaktiv und zeitnah zu intervenieren. Dies ist für die Sozialarbeitenden unbefriedigend und sehr belastend. Die Falllast in der Existenzsicherung soll pro Vollzeitstelle wie folgt gesenkt werden:

Grafik 2

Die positive Wirkung einer Senkung der Falllast in der Existenzsicherung hat sich in der Stadt Winterthur bestätigt. Neben einer qualitativ besseren und effektiveren Begleitung wurde festgestellt, dass die Kosten pro Fall tiefer waren und es häufiger zu Ablösungen aus der Sozialhilfe kam. Im Endeffekt führte dies in Winterthur zu substanziellen Einsparungen in der Sozialhilfe in Millionenhöhe. Es zeigte sich zudem, dass die Mitarbeitenden zufriedener waren und die Personalfluktuation deutlich abnahm. Ein ähnlich positiver Effekt auf das Personal ist auch bei einer Senkung der Falllast bei den Beistandspersonen zu erwarten. Beim aktuellen Mangel an Fachpersonen im Sozialbereich ist dies entscheidend, um den gesetzlichen Auftrag in den beiden Bereichen zu erfüllen.

Die Sozialkommission unterstützt die geplanten Massnahmen und sieht darin einen wichtigen Schritt, damit soziale Unterstützung eine möglichst hohe Wirkung entfalten kann.

Die Sozialkommission stimmte mit jeweils 7:1 Stimmen deutlich folgenden Punkten zu:

  • Nachtragskredit für das Jahr 2023 von 366’600.– Franken und Sonderkredit ab 2024 von jährlich rund 1.38 Mio. Franken zur Senkung der Falllast beim Kinder- und Jugendschutz sowie beim Erwachsenenschutz
  • Nachtragskredit über 248’200.– Franken für das Jahr 2023 und Sonderkredit von jährlich rund 1.31 Mio. Franken zur Senkung der Falllast in der Existenzsicherung

Eine Minderheit war der Ansicht, dass die Anträge einen Ausbau des Sozialstaates bedeuten. Sie lehnte die Anträge ab und drohte das Referendum dagegen an.

Ferner hat die Sozikommission einstimmig zwei Protokollbemerkungen überwiesen, die fünf Jahre nach der Einführung der Falllast-Reduktion eine Berichterstattung zur Wirkungsprüfung verlangen.

Der Grosse Stadtrat wird voraussichtlich in der Ratssitzung vom 4. Mai 2023 über den B+A 3/2023 «Reduktion der Falllast in der Existenzsicherung (Soziale Dienste). Sonder- und Nachtragskredit» und den B+A 4/2023 «Reduktion der Falllast im Erwachsenenschutz (Soziale Dienste) und im Kinder- und Jugendschutz (Kinder Jugend Familie). Sonder- und Nachtragskredit» debattieren.

 

Links:

B+A 3/2023 «Reduktion der Falllast in der Existenzsicherung (Soziale Dienste). Sonder- und Nachtragskredit»

B+A 4/2023 «Reduktion der Falllast im Erwachsenenschutz (Soziale Dienste) und im Kinder- und Jugendschutz (Kinder Jugend Familie). Sonder- und Nachtragskredit»

Name
Sozialkommission Medienmitteilung 31.03.2023 (PDF, 271.26 kB) Download 0 Sozialkommission Medienmitteilung 31.03.2023
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