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23. Juni 2025
Coralie Rüfenacht spielt Fussball, seit sie sich auf den Beinen halten kann. Aktuell ist das Talent im Team der unter 16-Jährigen (U-16) des Fussballclubs Luzern. Sie trainiert mit Begeisterung und mit klaren Zielen.

Von Dagmar Christen

Treffpunkt ist der Fanshop des FC Luzern in der Swissporarena auf der Allmend. Die 14-jährige Coralie Rüfenacht erscheint in Sportbekleidung, die Fussballschuhe in der Hand. Nach unserem Gespräch geht’s ins Training. Die U-16-Spielerinnen treffen sich jeden Montag, Mittwoch und Freitag zehn Minuten vor Trainingsbeginn auf einem der Kunstrasenfelder: zum lockeren Einwärmen. Auch der Sportchef der FCL-Frauenteams Sandro Waser schaut vorbei. Er hat das Gespräch mit Coralie fürs «Stadtmagazin» organisiert und fragt nach, ob alles in Ordnung sei. Die beiden unterhalten sich kurz über das Spiel von letztem Samstag. Eine Niederlage, die nachträglich zum 3 : 0-Forfait- Sieg wurde. Ein Regelverstoss des gegnerischen Teams hat dem FCL drei Punkte beschert. Coralie hätte den Sieg wohl lieber in 90 Minuten auf dem Platz erkämpft.

Sportbegeisterte Familie

Coralie Rüfenacht hat den Ball am Fuss, seit sie sich selbst auf den Beinen halten kann. Mit acht Jahren meldeten sie ihre Eltern beim SC Obergeissenstein (SCOG) an. Vater und Mutter sind sportbegeistert, der jüngere Bruder (12) spielt Tennis, die jüngere Schwester (9) reitet und tanzt. Beim SCOG hat Coralie viele Kolleginnen und Kollegen gefunden. Sie war in der Meisterschaft einziges Mädchen in einem Bubenteam: «Ich war sogar Captain», erzählt sie stolz. Deshalb war klar, dass sie dem Ruf der FCL-Talentscouts nicht sofort, sondern erst nach Abschluss der Saison folgte.

Im vergangenen Sommer hat Coralie dann den Schritt in den Leistungssport gemacht und ist dem U-16-Team des FCL beigetreten. «Mehr Technik, mehr Krafttraining», das hat sie gereizt. Und auch mehr Leistungsdruck und Konkurrenzdenken? «Ja, schon auch.» Aber das scheint weder ein Problem noch ein Thema für Coralie zu sein. Sie ist im neuen Umfeld angekommen. «Wir haben ein megacooles Team.» Allerdings müssen 9 der aktuell 25 Spielerinnen nach dem Sommer altershalber die U-16 verlassen, das bedauert Coralie. Zum Glück können sie und ihre beste Freundin weiter gemeinsam Fussball spielen. Oft treffen sie sich vor dem Training, reden miteinander, verbringen Zeit zusammen.

Egal, ob es nieselt oder schüttet – Coralie Rüfenacht liebt das Training und das Spiel. Die 14-jährige Sekundarschülerin aus Luzern trainiert seit vergangenem Sommer im U-16-Team des FCL. Sie möchte es mit ihrem Klub bis an die Spitze schaffen.

One Team – one Sound

Die individuellen Stärken der Spielerinnen sollen auf dem Platz zum harmonischen Einklang werden: «One Team – one Sound», fordert Trainer Michele Gallo beim Spiel genauso wie bei den Vorbereitungen darauf: Fokus, Konzentration, Präsenz vom Aufwärmen über die verschiedenen Übungen bis zum spielerischen Abschluss des Trainings. Der Sound ist auch beim Umgang miteinander wichtig: «Wir dürfen keine ‹Jugendsprache› verwenden», sagt Coralie. Wenn einer Spielerin dann doch mal ein: «He Alter!» oder Krasseres rausrutscht, hat das zehn Liegestütz zur Folge – für das ganze Team. «In der Regel achten alle auf Micheles Anweisungen. Aber manchmal gibt’s schwache fünf Minuten.» Und als Konsequenz wiederum: zehn Liegestütz für alle. Diese Kollektivstrafen scheinen Coralie nichts auszumachen. Die Regeln sind bekannt, und die 14-Jährige ist ein Energiebündel. An trainingsfreien Tagen trainiert sie zu Hause. «Ich brauche eine Pause nach dem Schulunterricht», sagt die Sekundarschülerin. Dann arbeitet sie an ihrer Schnellkraft oder feilt an der Technik. «Manchmal zeige ich meiner kleineren Schwester auch einen Trick.» Sie wie auch Mama und Papa lieben Fussball. «Es kommt immer jemand von meinen Eltern zu meinen Spielen. Auch der Onkel, die Grosseltern oder manchmal auch der Götti – ein Liverpool-Fan.»

FCL, FC Brügge und Barcelona

Coralie schaut sich viele Spiele am Fernsehen an und alle Heimspiele des FCL in der Swissporarena. «Entweder mit meinem Vater – wir haben ein Saisonabonnement – oder mit meinen Kolleginnen aus dem Team.» Der FCL ist Coralies Verein. Ihr grosses Vorbild: Ardon Jashari. Der ehemalige Mittelfeldspieler des FCL spielt heute bei der belgischen Mannschaft Brügge. Jashari hat sich vom FCL-Junior zum Stammspieler in der 1. Mannschaft und zum Nationalspieler entwickelt. 2024 erzielte der FCL mit seinem Transfer die bisher höchste Ablösesumme in der Klubgeschichte. Coralie, selbst auch im Mittelfeld, studiert seine Spielweise intensiv: «Ich beobachte Ardon, wie er sich von seinen Gegenspielern befreit, in welchen Situationen er einen Rückpass macht, wann er einen Ball in die Tiefe schlägt.»

Diese Taktik und Spielweise versucht Coralie im Training und in den Spielen umzusetzen. «Ich gebe meinen Mitspielerinnen Zeichen, rufe ihren Namen, schicke sie», erklärt Coralie, ganz in der Rolle der Spielmacherin. Es erstaunt nicht, dass ein weiteres Vorbild Mittelfeldspielerin ist: Die Schweizer Nationalspielerin Sydney Schertenleib findet Coralie klasse. Schertenleib ist 18-jährig, spielte beim FC Zürich, bei den Grasshoppers und seit 2024 bei Barcelona.

Ein toller Fussballsommer

Coralie verfolgt die Europameisterschaft der Frauen am Fernsehen oder auf einer Grossleinwand. Für sie ist der Juli trainingsfrei, und für die Familie die einzige Möglichkeit im ganzen Jahr, gemeinsam Ferien zu machen. Das wird ein toller Sommer: Ferien, viel Fussball und hoffentlich wenig Drama. «Fairplay! Das ist für mich der grösste Unterschied zwischen Männer- und Frauenspielen: Frauen wälzen sich nicht auf dem Boden, ausser sie wurden wirklich getroffen.» Hingegen legen sich Männer auch mal länger hin, auch wenn es kein Foul war, weiss Coralie.

An die Spitze

Sie packt ihre Nockenschuhe und macht sich Richtung Platz 35 auf. Es regnet in Strömen. «Ich freue mich immer aufs Training. Und natürlich auf jeden Match, jedes Wochenende.» Mit welchem Ziel? Coralie muss nicht lange überlegen: «Ich möchte es beim FCL an die Spitze bringen, hier Karriere machen und den Sprung ins Schweizer A-Team schaffen. Und vielleicht auch mal im Ausland spielen. » Wo? «Deutschland oder Spanien?» Für diese Entscheidung bleibt noch Zeit, und in dieser Zeit will Coralie dem Fussball weiterhin möglichst viel Platz einräumen. Auch bei der Berufswahl ist klar: Die Lehre muss mit dem Sport in Einklang zu bringen sein.

Frauenfussball-Boom
Der Schweizer Frauenfussball boomt. 41'098 Mädchen und Frauen waren in der Saison 2024 / 2025 lizenziert. Im Jahr 2020 waren es 26’866 Spielerinnen.

Breitensport
Wo keine Juniorinnenteams existieren, spielen Mädchen mit Buben in gemischten Teams. Körperliche Unterschiede werden ab 13 Jahren ausgeglichen: Dann dürfen Mädchen um ein Jahr älter sein als die Knaben in ihrer Spielkategorie.

FCL-Frauenteams
Der FC Luzern hat vier Frauenteams: Das U-16-Team mit 14- und 15-jährigen Spielerinnen, die U-18 mit 16- und 17-Jährigen, die U-20 ab 17 und das Super-League-Team. In der AXA Women’s Super League (AWSL) absolvieren bereits 15- und 16-Jährige ihre ersten Spiele. Das AWSL-Team des FCL hat die Meisterschaft 2024/2025 auf dem achten Tabellenplatz abgeschlossen. Die U-16, die gegen Jungs antreten musste, wurde in der Rückrunde ebenfalls Achte.

Ein steiniger Weg
Bis 1970 waren «Damenfussballspiele » in Deutschland vom Deutschen Fussballbund (DFB) verboten. Im selben Jahr wurde die Schweizerische Damen-Fussball-Liga (SDFL) gegründet. 1993 wurde der Frauenfussball in den Schweizerischen Fussballverband (SFV) integriert. Seit 2020 wird die höchste Spielklasse der Frauen gesponsert, erstmals werden Spiele live übertragen. Der Höhepunkt in der Geschichte des schweizerischen Frauenfussballs ist die UEFA Women’s EURO 2025 in der Schweiz.

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Stadtmagazin 2/2025