Von Robert Bossart
Auf den ersten Blick sieht es nicht nach Grossbaustelle aus an diesem grauen Herbsttag. Ein grösseres Erdloch mit Absperrungen darum herum beim Reusssteg und ein aufgerissener Strassenabschnitt ganz vorne bei der Seebrücke sind augenscheinlich.
Da und dort lagern Gerätschaften – ein Bagger, aufgehäufte Steine, Betonsäcke, Schalbretter. Doch dann strömt eine Touristengruppe über die Kapellbrücke Richtung Bahnhofstrasse, Velos aus beiden Richtungen kreuzen vor dem Luzerner Theater und zirkeln um die Zufussgehenden herum. Ein roter Betonmischer manövriert in den abgesperrten Baustellenbereich. Auf engem Raum findet viel Verkehr statt, bisher zum Glück ohne schwerwiegende Unfälle.
Seit rund einem Jahr wird mitten im Herzen von Luzern gebaut. Seit dieser Zeit setzt Projektleiter Lukas Deschwanden alles daran, die Beeinträchtigungen für die betroffenen Geschäfte, Hotels, Restaurants, Marktstände und Verkehrsteilnehmenden möglichst gering zu halten. «Wir haben regelmässig Flyer mit den aktuellen Informationen verteilt und die Betroffenen teilweise auch per E-Mail oder im Gespräch informiert», sagt Lukas Deschwanden. So habe trotz Baustelle der Alltag weiter stattgefunden. Die Veloplätze standen stets zur Verfügung und wurden je nach Baustellensituation örtlich verschoben, die Durchfahrt war meist gewährleistet. «Trotz Grossbaustelle geht das Leben weiter, die Anlässe wie das Stadtfest, der Stadtlauf und die Fasnacht können stattfinden, und auch für den Markt haben wir Lösungen gefunden.»
Weniger Laufkundschaft, weniger Umsatz
Über Lösungen freut sich Thomas Bucher, Landwirt aus Gunzwil, der hier seit vielen Jahren sein Gemüse, seine Früchte und Milchprodukte verkauft. Seinen Stand musste er von der Bahnhofstrasse auf den Jesuitenplatz verlegen, was ihm etwas weniger Laufkundschaft beschert. «Aber wir sind froh, dass wir überhaupt hier sein können», sagt Thomas Bucher. Er weist auch darauf hin, dass die Stadt für alle Marktstände gute Lösungen gefunden und die Zeit während der Bauarbeiten gut organisiert hat. «Aber weniger Umsatz haben wir leider schon.»
Weniger Verdienst hatte auch die Confiserie Kurmann. «In der Phase, als wir die Baustelle unmittelbar vor dem Geschäft hatten, machten wir weniger als halb so viel Umsatz wie üblich», sagt Geschäftsinhaberin Margrit Kurmann. Die Stadt habe zwar gut informiert, aber bis in den Sommer hinein habe ihr Geschäft stark gelitten. Ähnlich sieht dies Ettore Indraccolo, Verkaufsleiter des Schuhgeschäfts Benci Brothers. Dass hier eine Begegnungszone entsteht, begrüsst er zwar, der Weg bis dorthin sei aber mit einigen Opfern verbunden. «Bis Juli befand sich direkt vor unseren Fenstern eine Baustelle, das führte zu massiven Einbussen, vor allem wegen der Touristen, die uns schlicht nicht wahrgenommen haben.»
Gute Zusammenarbeit
Die positiven Aspekte der Neugestaltung der Bahnhofstrasse streicht Jessica Ternes, General Manager des «Ameron Luzern Hotel Flora» an der Seidenhofstrasse, hervor. «Wir stehen dem Projekt wohlwollend gegenüber, die verkehrsberuhigte Strasse wird für unser Hotel eine Bereicherung darstellen. » Sie fühlte sich auch während der Bauphase stets «gehört». «Die Bauarbeiten im Sommer an der Seidenhofstrasse waren für uns teilweise mühsam, aber wir standen stets in gutem Kontakt zur Projektleitung und haben gemeinsam nach den jeweilig besten Lösungen gesucht.»
Der Lärm und die Verkehrsbehinderungen stellten für die Hotelgäste eine Belastung dar. «Die Zufahrt zum Parkhaus war stets gewährleistet, auch wenn es zeitweise nur mit Umwegen zu erreichen war», sagt die Managerin. Die meisten Gäste hatten Verständnis für die Situation. «Die Gästezufriedenheit sank nie unter 80 Prozent, was für eine solche Situation ein guter Wert ist.»
Aktuell sind die Arbeiten der Bauphase vier von insgesamt sechs im Gange. «Eine zweite Baumreihe entlang der Reuss wird erstellt», erklärt Lukas Deschwanden. Die Arbeiten am Theaterplatz sowie an der Theater- und der Seidenhofstrasse sind abgeschlossen. «Was noch kommt, sind die Bepflanzung und Möblierung mit Sitzgelegenheiten.»
Zuerst langsam und jetzt schneller als geplant
Derzeit läuft es gut. Die Arbeiten kommen sogar etwas schneller voran als geplant. Natürlich gab es auch Unvorhergesehenes, etwa defekte Leitungen im Boden, wo das Planungsteam pragmatisch nach Lösungen suchen musste. Auch verärgerte Reaktionen und Kritik gab es. «Die Inputs haben wir immer versucht aufzunehmen und wenn möglich zu reagieren.»
Unvorhergesehen war auch die lange Phase vom Volksentscheid bis zur Realisierung: Nachdem 2013 die Initiative «Für eine attraktive Bahnhofstrasse in der Stadt Luzern» von der Stimmbevölkerung angenommen worden war, wurde ein Projektwettbewerb durchgeführt. Aufgrund der umfassenden Gesamtplanung, einmal mit und einmal ohne Velostation, und der zusätzlichen Beschwerden und Einsprachen verzögerte sich anschliessend der Baustart. Dennoch setzte die Stadt schrittweise Massnahmen bereits ab 2020 um: Die Bahnhofstrasse wurde für den Durchgangsverkehr gesperrt, Autoparkplätze wurden aufgehoben und es entstanden erste Freiflächen im Bereich Theaterplatz.
Eine Ambiance zum Verweilen
Im Sommer 2026 soll die neue Bahnhofstrasse eingeweiht werden. Darauf freuen sich alle Betroffenen. Projektleiter Lukas Deschwanden sieht alles schon vor sich: «Die zwei Baumreihen, die Sitzgelegenheiten und vieles mehr werden eine besondere Ambiance schaffen und mehr Platz zum Flanieren bieten. Das wird die linke Reussseite deutlich aufwerten, was der ganzen Stadt zugutekommt.»
Weitere Informationen
Neugestaltung Bahnhofstrasse
Damit die Bahnhofstrasse auch während des Umbaus genutzt werden kann, etappierte die Stadt die Arbeiten in sechs Bauphasen. Seit dem Baustart im Oktober 2024 wurden in den ersten drei Phasen der Theaterplatz, die Theaterstrasse, die Seidenhofstrasse sowie die Fahrbahn und die Vorplätze der Bahnhofstrasse umgebaut.
Weitere Bauphasen bis April 2026
In den kommenden Bauphasen vier bis sechs werden die Promenade der Bahnhofstrasse sowie die Arbeiten am Hirschengraben und an der Winkelriedstrasse gemacht und bis zirka Juni 2026 abgeschlossen. Während des Umbaus des Knotens Seebrücke ist die Durchfahrt für Autos nur mit Einschränkungen möglich.
Luzerner Theater an der Bahnhofstrasse
Nachdem das Projekt «überall» für ein neues Theater von den Stimmberechtigten abgelehnt worden ist, erfolgt nun ein Neustart für die Zukunft des Luzerner Theaters. Die Luzerner Bevölkerung soll am Zukunftsprozess für ein neues Theater teilhaben. Ein entsprechender Prozess mit einem breit abgestützten Dialog soll nun die Ausarbeitung einer Vision für den Theaterwerkplatz Luzern ermöglichen. Dafür hat der Grosse Stadtrat am 23. Oktober 2025 einen Sonderkredit von 2,18 Mio. Franken bewilligt. Kurzfristige, notwendige bauliche Instandhaltungsmassnahmen wurden bereits veranlasst. Auch werden diverse städtebauliche Abklärungen gemacht.