Kopfzeile

Inhalt

25. August 2025
Zwischen Lebensqualität, Sicherheit und sozialer Realität: Der öffentliche Raum in Luzern steht im Spannungsfeld vielfältiger Ansprüche. Sozial- und Sicherheitsdirektorin Melanie Setz ordnet die Entwicklungen ein und zeigt, wie die Stadt damit umgeht.

Von Leticia Künzle

Interview

Wie erleben Sie aktuell die Situation im öffentlichen Raum der Stadt Luzern?

Wir haben eine gute Sicherheitslage – die grosse Mehrheit der Menschen fühlt sich sicher. Gleichzeitig ist der öffentliche Raum sehr belebt und vielfältig genutzt. Das führt zwangsläufig auch zu Zielkonflikten, wie sie in jeder Stadt entstehen, wenn unterschiedliche Interessen aufeinandertreffen.

Haben Sie einen Lieblingsort in Luzern?

Natürlich, einige sogar! Persönlich mag ich vor allem die Orte, die manche vielleicht als ungemütlich bezeichnen würden. So zum Beispiel das Mini-Pärkli bei der Langensandbrücke mit Blick auf Gleisfeld und Pilatus, den Pop-up-Park bei der Werft, die belebte Baselstrasse oder das Reussufer. Aber natürlich auch Grünräume wie den Bireggwald.

Die Stadt Luzern soll ein Ort der Begegnung und Lebendigkeit sein, gleichzeitig nehmen Nutzungskonflikte zu. Wie geht die Stadt mit diesem Spannungsfeld zwischen einer lebendigen Stadt und dem Bedürfnis nach Ruhe um?

Es ist ein ständiges Abwägen zwischen unterschiedlichen Bedürfnissen und diese verändern sich laufend. Aus meiner Sicht muss man auch zwischen verschiedenen Lärmfaktoren unterscheiden: Verkehrslärm ist gesetzlich geregelt, hier sind Massnahmen verbindlich. Anders beim «menschlichen» Lärm, etwa durch Gespräche, Musik oder nächtliches Zusammensein in Parks wie der Ufschötti im Sommer, der subjektiv wahrgenommen wird.

In Parks setzen wir auf Plakatkampagnen, um für Rücksicht zu sensibilisieren. Oft hilft aber auch das direkte Gespräch oder im Einzelfall ein Anruf bei der Polizei. Wichtig ist: Wer in der Innenstadt wohnt, muss mit einer gewissen Geräuschkulisse rechnen. Gleichzeitig müssen sich Gastronomie, Veranstaltende und Gäste an die geltenden Regeln halten und Rücksicht nehmen.

Haben sich die Erwartungen der Bevölkerung an den öffentlichen Raum verändert?

Nach den Coronajahren, in denen sich viele Menschen ins Private zurückgezogen haben, freue ich mich besonders, dass Kinder und Jugendliche heute wieder häufiger im öffentlichen Raum unterwegs sind. Die Nutzung des öffentlichen Raums als sozialer Begegnungsort ist aus meiner Sicht ausdrücklich zu begrüssen.

Es ist schön zu sehen, wie sich Menschen die Strassen wieder aneignen. Wichtig ist mir auch, dass insbesondere Jugendliche weiterhin Orte finden, wo sie ohne Konsumzwang oder spezifische Nutzungsvorgaben Zeit mit Freund*innen verbringen können. Gleichzeitig braucht es Rücksicht auf Anwohnende, und es gibt Herausforderungen wie Littering. Entsprechend haben sich auch die Erwartungen an die Stadt und an die Polizei verändert: Viele wünschen sich ein schnelleres Eingreifen bei Störungen. Einen wichtigen Beitrag zu einem funktionierenden öffentlichen Raum leisten auch die Mitarbeitenden des Strasseninspektorats. Sie sorgen täglich für Sauberkeit, und das steigert das subjektive Sicherheitsempfinden.

Rund um den Bahnhof wird die offene Drogenszene wieder sichtbarer. Was steckt dahinter?

Der Konsum von Crack hat das Verhalten vieler Suchtbetroffener verändert. Sie sind unruhiger, fordernder, sichtbarer. Gleichzeitig fehlen bezahlbare Wohnmöglichkeiten, weshalb viele verstärkt auf den öffentlichen Raum ausweichen. Luzern ist ein Zentrum für viele Lebensbereiche – nicht nur für Kultur, Sport und Wirtschaft, sondern auch für Sucht, Drogenhandel und -konsum.

Was unternimmt die Stadt in diesem Bereich? Braucht es Anpassungen in der Drogenpolitik?

Der Crack-Konsum stellt die bewährte Schweizer Vier-Säulen-Drogenpolitik vor neue Herausforderungen, da weder Ersatzmedikamente noch geeignete Therapien verfügbar sind. Gemeinsam mit dem Kanton erarbeiten wir Massnahmen, um möglichst breit auf die Situation reagieren zu können. Auch suchtkranke Menschen haben das Recht, sich im öffentlichen Raum aufzuhalten. Es braucht aber legitimierte Orte für Konsum und Aufenthalt, um Plätze wie den Bahnhof zu entlasten. Diese zu finden, ist anspruchsvoll: möglichst zentral, ohne Quartiere zusätzlich zu belasten.

Wo bestehen neben dem Bahnhof weitere Herausforderungen?

Im Gebiet Basel-/Bernstrasse sind Drogenkonsum und -handel immer wieder ein Thema. Auch rund um die Gassenküche stehen wir in engem Austausch mit einer Echogruppe. Die Notschlafstelle wird demnächst ins Neustadtquartier verlegt. Dort gilt es genau zu beobachten, wie sich dieser Umzug auf das Quartier auswirkt. An all diesen Orten stehen wir in kontinuierlichem Kontakt mit den Quartierkräften und den zuständigen Institutionen.

Einige Orte wie das Apothekergärtli wurden zeitweise gesperrt. Ein richtiges Signal?

Solche Massnahmen sind für uns immer der letzte Ausweg. Im Fall des Apothekergärtli kam es aber vermehrt zu Littering, Lärm, Gewalt und Drogenhandel. Die nächtliche Sperrung hat deutlich zur Beruhigung beigetragen. Langfristig soll mit der Umgestaltung des Apothekergärtlis wieder eine offenere Nutzung gefördert werden.

Welche Rolle spielt SIP (Sicherheit, Intervention, Prävention) bei Nutzungskonflikten?

Eine zentrale. Die Mitarbeitenden der SIP sind direkt am Puls unserer Stadt. Sie sind die Ansprechpersonen im öffentlichen Raum, nehmen Spannungen früh wahr und vermitteln im direkten Kontakt – sei es bei Fragen, Unsicherheiten oder Konflikten. Aktuell testen wir ein Jugendteam, das auf zentralen Plätzen unterwegs ist, um Jugendliche noch gezielter ansprechen zu können. Ziel ist es, in Kontakt zu kommen, zu unterstützen, aber auch auf Themen wie Littering, Lärm oder Belästigung aufmerksam zu machen. Neben der SIP sind auch die Quartierarbeit, Polizei, Vereine und soziale Institutionen wichtige Partner*innen.

Wo setzt die Stadt Schwerpunkte, um den öffentlichen Raum weiterzuentwickeln?

Mit dem kommenden Sicherheitsbericht werden Schwerpunkte gezielt herausgearbeitet. Auch der aktuelle Controllingbericht zur Stadtraumstrategie nennt fünf Stossrichtungen: Quartierzentren stärken, Innenhöfe begrünen, Wasser erlebbar machen, ungenutzte Flächen aktivieren und Freiraumachsen schaffen (siehe Weitere Informationen). Der Klimaanpassung schenken wir ebenfalls besondere Aufmerksamkeit.

Die Politik setzt die Rahmenbedingungen. Was braucht es sonst noch, damit der öffentliche Raum auch langfristig für alle funktioniert?

Vor allem auf gesamtgesellschaftlicher Ebene braucht es Respekt, Toleranz und das Bewusstsein, dass wir alle Teil dieses Raums sind. Wir beeinflussen mit dem eigenen Verhalten massgeblich, ob sich andere darin wohl und sicher fühlen. Mit Projekten wie «Luzern schaut hin» fördern wir zusätzlich das respektvolle Miteinander. Nur gemeinsam gelingt es, den öffentlichen Raum lebendig, sicher und für alle zugänglich zu halten.

Für Sozial- und Sicherheitsdirektorin Melanie Setz ist klar: «Auch suchtkranke Menschen haben ein Recht, sich im öffentlichen Raum aufzuhalten.» Gemeinsam mit dem Kanton sucht sie nach Lösungen für eine Verbesserung der Situation der Suchtbetroffenen und zur Entlastung des Brennpunkts Bahnhofplatz.

 

Weitere Informationen

Stadtraumstrategie
Vor sechs Jahren hat der Grosse Stadtrat die Stadtraumstrategie verabschiedet. Diese Strategie definiert die Gestaltung des öffentlichen Raums bis im Jahr 2030. Jetzt gibt der erste Controllingbericht einen Überblick über die von 2019 bis 2025 umgesetzten Projekte und entwickelt die Strategie inhaltlich weiter.

30 umgesetzte Projekte
Seit 2019 wurden mehr als 30 Projekte bearbeitet. Dazu gehören zum Beispiel die Entwicklungskonzepte für das linke Seeufer, das Quartier Würzenbach oder die Basel-/Bernstrasse sowie Aufwertungsprojekte wie der Fluhmühlepark oder die temporären Massnahmen beim Löwenplatz und beim Waldstättergärtli.

Lebensqualität steigern
Der Bericht legt auch die Massnahmenschwerpunkte und die Umsetzungsprojekte bis 2030 dar. So sind nebst bereits laufenden Projekten auch neue, zusätzliche Vorhaben geplant, um die Lebensqualität in der Stadt Luzern weiter zu verbessern. Im Fokus stehen insbesondere das Element Wasser, Bäume und Biodiversität, die Erschliessung neuer öffentlicher Räume auch in Zusammenarbeit mit Privaten sowie die Verbesserung der Aufenthaltsqualität von Begegnungsräumen.

Freiräume schaffen
Konkret sollen beispielsweise die Quartierzentren Hubelmatt und Wesemlin sowie verschiedene Innenhöfe aufgewertet und vermehrt Wasserelemente eingesetzt werden. Zudem wird die Schaffung von Freiraum bei privaten Überbauungen thematisiert.

 

Weitere Beiträge im Stadtmagazin

Stadtmagazin 3/2025