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16. Oktober 2023
In Luzern gibt es mehrere hundert Vereine. Ob Sport, Guuggenmusig, Theater – es findet sich für alle Freizeitaktivitäten und Interessen etwas. Doch wie Neuzugezogenen oder geflüchteten Menschen diese Möglichkeiten bekannt machen? Mit einem Verein!

Bild oben: Anya Heini im HelloWelcome, einem Ort für geflüchtete Menschen, Einheimische, Migrantinnen und Migranten. Hier ist sie im Verein "Integration in der Freizeit" aktiv und vernetzt Interessierte mit den verschiedenen Vereinen in der Stadt Luzern.

Von Christine Weber

Das Festzelt für das Grümpelturnier aufbauen, Kafi für den Turnverein ausschenken oder gemeinsam Kostüme für die Fasnacht nähen – solche Sachen gehören zu jedem Vereinsleben. Ja klar: Das gibt zu tun, jede und jeder muss Hand anlegen und sich gratis und franko engagieren. Belohnung ist die Aufführung, die gefüllte Vereinskasse oder der Sportevent. Noch wichtiger sind jedoch die zwischenmenschlichen Gewinne. «Leute kennenlernen, gemeinsam für eine Sache einstehen, etwas unternehmen und am gleichen Strick ziehen – das Vereinsleben bringt enorm viel!», sagt Anya Heini. Vor rund zwei Jahren hat sie darum «Integration in der Freizeit» lanciert, das eine Brücke zu bestehenden Vereinen baut, damit auch Neuzugezogene und insbesondere geflüchtete Menschen den Einstieg in das vielfältige Vereinsleben finden und daran teilhaben können.

Unkompliziert in Kontakt kommen

Die 49-Jährige weiss aus eigener Erfahrung, wie praktisch Freizeitaktivitäten sind, um sich in einer neuen Heimat wohl zu fühlen: Aufgewachsen ist die gebürtige EnAnyagländerin mit indischen und österreichischen Wurzeln in Sheffield, während ihres Studiums verbrachte sie ein Erasmus-Jahr im italienischen Bologna. Mit diesem breiten Sprach- und Kulturwissen ausgerüstet, arbeitete sie anschliessend während mehrerer Jahre im Tourismusbereich für grosse Reiseveranstalter, unter anderem auch in Holland. «In dieser Branche hatte ich natürlich viel mit Menschen aus unterschiedlichen Ländern zu tun und habe auch bereits Brücken zwischen Leuten gebaut», sagt Anya Heini. Vor 21 Jahren ist sie in die Schweiz gekommen, hat ihren heutigen Mann kennengelernt und fühlt sich mit ihrer Familie und den zwei Söhnen längst zu Hause in Luzern. Anya Heini ist sich dessen bewusst, dass es nicht für alle Menschen so glatt läuft mit der Integration, wie das bei ihr war. «Ich hatte sowohl beruflich, sprachlich und vom sozialen Umfeld her gute Voraussetzungen und fühlte mich schnell heimisch und willkommen», sagt sie. Hilfreich sei aber auch für sie gewesen, sich unter die Leute zu mischen, und das gehe nun mal am einfachsten über Freizeitaktivitäten. «In Vereinen kommt man unkompliziert in Kontakt mit Einheimischen, arbeitet gemeinsam auf ein Ziel hin und lernt sich beim Engagement für eine gute Sache kennen», sagt Anya Heini und zählt lachend auf, wo sie selbst aktiv war und ist: Das geht von Zumba-Tanzen über Singen im Jazzchor Chestnut Voices bis hin zu Aufführungen mit der Lucerne World Theatre Company. «In all meinen Lebensstationen konnte ich dadurch vor Ort relativ rasch ein Netzwerk aufbauen, die Sprache trainieren und dabei natürlich erst noch etwas tun, das mir Spass macht.»

Interessiert an Neumitgliedern

Anya Heini weiss jedoch auch, dass es gar nicht so einfach ist, sich im Dschungel der vielfältigen Angebote zurechtzufinden. Erst recht nicht für geflüchtete Menschen, Sans-Papiers oder Leute, die noch wenig Deutsch sprechen. Hier setzt denn auch ihr Projekt «Integration in der Freizeit» an, das sie im Rahmen einer Weiterbildung an der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit und mit Begleitung durch HelloWelcome entwickelt und umgesetzt hat (siehe Randspalte).

«In und um Luzern läuft bezüglich Freizeitaktivitäten sozusagen an jeder Ecke etwas. Aber wie erfahren Neuzugezogene davon? Und wo ist eine Unterstützung hilfreich, um den Erstkontakt und das gegenseitige Kennenlernen herzustellen? Das wollen wir ermöglichen», sagt Anya Heini und weist darauf hin, dass umgekehrt auch die Vereine von dieser Vermittlung profitieren. «Bei vielen bestehenden Vereinen ist Mitgliederschwund ein Thema, und es gibt ein grosses Interesse an neuen Leuten, die sich einbringen.»

Dominoeffekt bei gutem Gelingen

Anya Heini skizziert, wie diese Vermittlung abläuft: Bei einem ersten Treffen wird interessierten Menschen aufgezeigt, was ein Verein überhaupt

ist und für welche Freizeitaktivitäten es Gruppierungen im Raum Luzern gibt. Stösst etwas davon auf Interesse und passt es auch bezüglich Voraussetzungen (beispielsweise Sprachkenntnisse), wird der Verein kontaktiert. In einem nächsten Schritt werden die geflüchteten Menschen oder die Neuzugezogenen zu einem ersten Treffen begleitet. Im Idealfall wird daraus eine regelmässige Teilnahme inklusive Mitgliedschaft.

Doch auch nachher bleiben Anya Heini und ihr Team eine wichtige Ansprechstelle: Dreimal pro Jahr gibt es Feedbackrunden und Austausch, anstehende Fragen können besprochen werden. «Das ist wichtig, denn ganz ohne Stolpersteine geht es oft nicht.» So müssten teilweise Lösungen bezüglich Finanzen gesucht werden. «Zwar sind die Kosten für Freizeitaktivitäten geringer als beispielsweise in einem Sportcenter oder einem Kurs – aber fast überall gibt es einen Mitgliederbeitrag, und teilweise fallen weitere Ausgaben für Busfahrten, Sportausrüstung oder andere Sachen an. Damit es nicht am Geld scheitert, suchen wir jeweils individuelle Lösungen – und die finden sich fast immer», sagt Anya Heini und verweist auf das Beispiel mit dem Ruderclub Reuss in Luzern: Dort hätten sich die Verantwortlichen spontan bereit erklärt, für neun Interessierte den Einführungskurs kostenlos durchzuführen. Und siehe da: Vier davon sind heute aktiv im Ruderclub dabei und engagieren sich jetzt ebenso für Neueinsteigende.

Vom Fechten bis zur Guuggenmusig

Anya Heini hat zahlreiche Beispiele auf Lager, was an Vermittlung schon gelungen ist. «Sehr beliebt sind natürlich Fussball- oder Volleyballvereine. Doch auch ausgefallenere Aktivitäten kommen gut an: zum Beispiel Curling, Fechten oder die Guuggenmusigen.» Zielgruppe sind Zugezogene ab 19 Jahren mit Priorität für geflüchtete Menschen. Damit «Integration in die Freizeit» die Zielgruppe erreicht und nicht im bereits vorhandenen Vereinsdschungel untergeht, wird an Treffpunkten wie HelloWelcome, Sentitreff oder Fabia gezielt darauf aufmerksam gemacht.

Ein Jahr nach der Lancierung ihres Projekts ist Anya Heini zufrieden und sieht sich bestätigt: «Die Vermittlung zwischen Vereinen und Neuzugezogenen und Geflüchteten ist eine wichtige und sinnvolle Brücke und für alle Beteiligten eine Bereicherung.»

Gut vernetzt

Aus dem Projekt «Integration in der Freizeit» ist mittlerweile ein Verein geworden. Im Vorstand engagieren sich auch Vertreterinnen und Vertreter der Institutionen HelloWelcome und Sentitreff. Freiwillige unterstützen den Verein und begleiten Interessierte. «Integration in der Freizeit» ist gut vernetzt mit der bestehenden Vereinskultur in der Region Luzern und spannt unter anderem mit «Sportstadt Luzern» zusammen, dem Zusammenschluss vieler Sportvereine in Luzern. Interessierte Vereine, potenzielle Freiwillige oder finanzielle Unterstützerinnen und Unterstützer können sich genauso melden wie Neuzugezogene und /oder geflüchtete Personen: www. integration-freizeit.ch

Alle sind willkommen

HelloWelcome ist ein Begegnungsort für geflüchtete Menschen, Einheimische und Migrantinnen und Migranten. Im Treffpunkt an der Bundesstrasse 13 in Luzern finden Angebote und Veranstaltungen rund um Themen im Flüchtlings- und Asylbereich statt. Willkommen sind alle – zum Kaffeetrinken und Plaudern, um gegenseitig in Kontakt zu kommen oder um sich bei Interesse freiwillig zu engagieren. Zum Beispiel bei der Hausaufgabenhilfe, beim Deutschlernen oder im NähTreff: www.hellowelcome.ch

 

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Stadtmagazin 3/2023