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10. Januar 2022
110 Gartenfachleute unterhalten 1’600’000 Quadratmeter Grünfläche in der Stadt Luzern. Dabei werden sie von Mikroorganismen und Maschinen unterstützt. Eine Tour mit Cornel Suter, Leiter Stadtgrün Luzern, entlang von Rasen und Rabatten.

Kapellbrücke, Löwendenkmal, Museggmauer, Uferpromenade, Schlössli Utenberg? Ja, die Stadtgärtnerei, seit 2022 Stadtgrün Luzern, wirkt aber auch im Friedental oder auf der Allmend. 8 Uhr morgens, Leiter Cornel Suter streift auf dem Gitterrost mögliche Erde von den Ledersohlen ab. Dann betritt er das Kunstrasen-Fussballfeld. Dieses werde bei jeder Temperatur bespielt, sagt er, Fasern und Granulat dämpften die Schritte. Der angrenzende Naturrasen ist dagegen fussballerisch im Winterschlaf. Mikroorganismen und andere Bodenlebewesen sowie maschinelle Löcher sorgen für Nährstoffumsatz, Luft und Feuchtigkeit.

26 Fussballfelder bewirtschaftet das Ressort Aussensport; jedes hat seine Eigenheiten. Cornel Suter führt durch den Maschinenpark im Fliegerschuppen. Stadtgrün-Greenkeeper «trainieren» auch den Superleague-Rasen des FC Luzern. Die Swissporarena hat drei Klimazonen: schattig, halbschattig, sonnig. Im Sommer wächst der Rasen täglich bis 7 Millimeter, im Winter immerhin 5 Millimeter. Fünf Mal pro Woche wird er gemäht. Durch den regelmässigen Schnitt verzweigen sich die Wurzeln immer weiter, was zusätzliche Dichte und Rutschfestigkeit gibt.

Fahren zwischen Grünstreifen

Weiter vorne auf der Allmend leuchten Männer im selben Neongelb wie Suter. «Mitarbeiter», kommentiert dieser, «sie schälen auf dem Sodenfeld gewachsenen Rollrasen ab, den sie auch in Parks und unter Sitzbänken verlegen.» Der Chef selber gibt im weissen Stadtgrün-Suzuki Gas. Die Zeit ist knapp. Die Einsatzfelder der 110 Angestellten sind vielfältig: Grünstreifen und Rosskastanien säumen die Obergrundstrasse ab Pauluskirche. Die Baselstrasse zieren zwei Silberahorne. Bei der Kirche St. Karli dominiert ebenfalls Ahorn. Zwei Strünke fallen auf. Die verdorrten Bäume werden durch Hopfenbuchen ersetzt, welche zusätzlichen Wurzelraum erhalten.

Vorfahrt beim Friedental, dem fünftgrössten Friedhof der Schweiz. Von 2008 bis 2015 wird dieser vom jungen Suter aus Sins geleitet. Wie ein Reiseleiter führt der gelernte Landschaftsgärtner und Techniker für Garten- und Landschaftsbau durchs Areal: links jüdische Gräber, geradeaus eher ältere Familiengräber, rechts frisch ausgehobene Urnengräber. «Unser Grundsatz auf dem Friedhof ist: Wir nehmen ausser Erde nichts heraus und schaffen nur Raum für neue Beisetzungen.»

Ein Metallstuhl in dezentem Grau lädt neben einer Scheinzypresse und einem Zierahorn zum Verweilen. Daneben streckt uns eine Männerskulptur eine Blume entgegen; ein Friedhofsgärtner hat sie ihm in die Hand gelegt. Hierher komme man nicht zum Feiern, sagt Suter. Aber der Friedhof werde vermehrt als Park genutzt, um in Ruhe ein Buch zu lesen, jemanden zum Gespräch zu treffen oder den Ausblick zu geniessen: «Eindrücklich die Ausrichtung auf den Göttersee – den Rotsee zwischen Sedel und Maihof!», schwärmt er. Und zu Füssen liegen der Talfriedhof mit Baumgräbern, die Familiengärten und und ein Gemeinschaftsgarten, die Kompostanlage fürs städtische Grüngut sowie die Produktionsgärtnerei Ried mit der umliegenden Baumschule. In den Betrieben wachsen jährlich 180 neue Bäume, zahlreiche Wildsträucher und 170’000 Wildstauden und Wechselflorpflanzen nach Biorichtlinien heran.

Schöne Grüsse aus der Orangerie

Dort unten haben sich im Oktober 2021 die Leiter Stadtgrün Bern, Zürich, Genf, Basel, Lausanne, St. Gallen und Winterthur getroffen. Besonders interessierte sie, wie man es schafft, 80 Prozent der städtischen Jungbäume selber aufzuziehen. Cornel Suter verweist auf Produktionsleiter Christoph Schoch und dieser wiederum auf Franz Koch. Der Baumschulist sagt, junge Stieleichen könne man billig von Brindisi bis Malmö einkaufen. Viele verkümmerten aber nach kurzer Zeit, denn die Ursprungsökologie sei wichtig. Koch holt Samen von Prachtexemplaren aus der Umgebung, steckt diese in Erde aus der eigenen Kreislaufproduktion, veredelt und verschult die Aufzucht mehrmals. Auch weitere Zukunftsarten wie Edelkastanie, Blumen-esche, Feld- und Französischer Ahorn sind hier im Ried am Start.

Im Hinterhof warten 20 vier Meter hohe, rund achtjährige Bäume auf die Versetzung. Blumenkisten für die Kapellbrücke stapeln sich neben leeren Blumensäulen und Equipments für Pop-up-Parks. In der Orangerie pausieren mobile Palmen. Der Frühling wächst in tausenden kleinen Töpfen heran, bereits der Sommer ist in Sicht.

Ab Mai bringen Geranien, Begonien, Petunien und Mottenkräuter Farbe auf die Kapellbrücke. Welche Blumenart Cornel Suter im hellblauen Hemd wäre? «Bestimmt keine Rose! Sonnenblume würde zu mir passen: gerader Stiel, grosser Blütenkelch, gelbe Farbe!», sagt er. Von den Baumarten impo-nierten ihm Stieleichen. Diese trotzten seit je allen Widerständen. Und als Standort würde ihm der Park beim Schlössli Utenberg gefallen. Er grenze an die Landwirtschaftszone und biete einen anderen Blick aufs naturschöne Luzern.

Flanieren in der Naturmetropole

Am Quai schneidet eine Baumpflegerin gerade Rosskastanien in Form. Schade habe man am Grendel keine Bäume eingeplant, findet Suter bei der Vorbeifahrt. Sobald es wärmer wird, stellt Stadtgrün Luzern Blumensäulen hin. An der neuen Bahnhofstrasse haben Architekten zwei Rosskastanienreihen visualisiert.

Viele Park- und Grünanlagen stehen unter Nutzungsdruck. Das Inseli hat sich bislang erstaunlich schnell erholt: Im Juni unter Hochwasser, lockt es ab Juli bereits wieder als Vergnügungswiese. Im
Dezember verwandelt es sich zum magischen Weihnachtsmarkt «Rudolfs». Beim Auf- und Abbau fahren aber Lastwagen auf die empfindlichen Baum-wurzeln. Die Rasenfläche muss gelockert werden, an manchen Stellen ersetzt.

Luzern ist seit 2017 «Grünstadt Schweiz, Label Silber». Das bedeutet «Qualität der Frei- und Grünräume», «Förderung der Biodiversität», «Klimaanpassung», «Entsiegelung». Was zum Gold-Label, das im Herbst 2022 erreicht werden kann, noch fehlt? Vor allem die Dokumentation von bereits Erreichtem und strategischen Prozessen, sagt Cornel Suter. Überhaupt könne das Fachwissen aller Ressorts noch mehr ausgespielt werden, gegen innen wie aussen.

Text: Edith Arnold, freischaffende Journalistin

Aus Stadtgärtnerei wird Stadtgrün Luzern

Unter Stadtgärtnerei stellt man sich gerne Blumen und Treibhäuser vor. Doch die Stadtgärtnerei Luzern hat sich seit 1878 vom Einmannbetrieb zum Kompetenzzentrum für öffentliches Grün entwickelt. Unter dem neuen Namen Stadtgrün Luzern arbeiten heute 110 Mitarbeitende in 15 Berufen.

Wachstum seit 1878
Gottfried Rütter aus Inwil ist der erste Stadtgärtner mit Format. Ganz nach internationalen Trends. Anfang des 19. Jahrhunderts setzt auch Luzern auf englische Landschaftsgärten mit Gehölzgruppierungen. Die Parks beim Richard Wagner Museum, auf Dreilinden oder beim Schlössli Utenberg beeindrucken nach wie vor.

Gemüsegärtnerei
Ab 1939, während der Kriegsjahre, dient die Stadtgärtnerei zudem als Gemüsegärtnerei. Kartoffeln, Lagergemüse, Getreide wachsen beim Carl-Spitteler-Quai und auf Sportfeldern. Die Erträge sollen mager gewesen sein; den «Böden fehlte es an Kuhmist», schreibt ein Chronist. Von 1946 bis 1976 werden zwölf Schulhäuser mit Garten- und Sportanlagen gebaut.

Urban Gardening
2004 geht das Bestattungs- und Friedhofwesen von der Stadtpolizei an die Stadtgärtnerei über. Hinzu kommen das Ressort Aussensport (2009), 850 Parzellen Familiengärten sowie die Begleitung von Urban-Gardening-Projekten (2014), 1300 Sitzbänke (2015), Anmeldung der Todesfälle (2016) und Pop-up-Parks (2019).

Baumschule
Vom Samen bis zum stattlichen Baum: Baumschulist Franz Koch zwischen jungen Linden (links) und Feldahornen in der Baumschule Ried.
Cornel Suter
Cornel Suter, seit 2015 Leiter Stadtgärtnerei, neu Stadtgrün Luzern, an seinem Lieblingsort, dem Park des Schlössli Utenberg, wo die Stadt endet und die Landwirtschaftszone beginnt.
Blumenkisten
278 Blumenkisten alleine für die Kapellbrücke stapeln im Ried, während Geranien und Begonien herangedeihen.
Weihnachtssterne
Nach den Weihnachtssternen werden Blumen für touristische Hotspots und für die Rabatten gezogen.

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Stadtmagazin 1/2022