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Am 5. Oktober 2015 öffnete das Stadtarchiv Luzern erstmals seinen neuen Lesesaal im eigenen Gebäude an der Ruopigenstrasse 38 im Stadtteil Reussbühl. Das 10-jährige Jubiläum bietet Anlass, einen Blick in die eigene Geschichte zu werfen.

Der älteste Beleg für ein Luzerner Archiv stammt aus dem Jahr 1409. Symbole markierten in der Kanzlei die Schubladen, in denen Akten aufbewahrt wurden. Im damaligen Stadtstaat bildeten der heutige Kanton und die Stadt Luzern eine politische Einheit. Diese führte ein Archiv, das beide später getrennten Entitäten umfasste.

1803 wurden mit der sogenannten «Sönderung» die Aufgaben und das Vermögen auf die Stadt und den Kanton Luzern aufgeteilt. Das kantonale Staatsarchiv zog mit der Mehrheit der älteren Unterlagen an den neuen Regierungssitz, während das Rathaus am Kornmarkt städtischer Besitz blieb und den grössten Teil des Stadtarchivs beherbergte. Einige städtische Archivbestände lagerten weiterhin im Wasserturm und im Korporationsgebäude am Reusssteg.

Die Aufteilung der Akten orientierte sich an den Aufgaben der neugegründeten Gemeinwesen. 1832 richteten die vier Gemeinden – Einwohnergemeinde, Ortsbürgergemeinde, Korporationsgemeinde und römisch-katholische Kirchgemeinde – ein gemeinsames Stadtarchiv ein, das von einer Archivkommission beaufsichtigt wurde. 1919 wurden die vier Archive getrennt, wobei die älteren Teile wiederum ins kantonale Staatsarchiv gelangten. Aufgrund dieser Archivgeschichte liegt der Schwerpunkt der städtischen Unterlagen auf Beständen ab dem frühen 19. Jahrhundert, vereinzelt gehen diese aber zurück bis ins 14. Jahrhundert.

Das Stadtarchiv als Archiv der Einwohnergemeinde fand 1919 im Südflügel des neu erstellten Stadthauses Platz. Aus Spargründen wurde 1925 die Stelle des Archivars gestrichen, seine Aufgaben gingen an den Stadtschreiber und die Stadtkanzlei über. Nach vier Jahren häuften sich die Akten aber derart, dass die Stelle schleunigst wieder besetzt wurde, ab 1954 erstmals vollamtlich.

1949 zog das Stadtarchiv in das ehemalige Palmenhaus der Stadtgärtnerei im Innenhof des Stadthauses (an der Stelle des heutigen Anbaus «Banane»). Stadtarchivar Edgar Rüesch erarbeitete 1970 die erste offizielle Archivverordnung, ein Jahr später wurde das Stadtarchiv zu einer eigenen Dienstabteilung und erhielt zusätzliche personelle Ressourcen.

Mit dem Bezug des dritten Stockes im Gebäude der Städtischen Werke EGW (heute ewl energie wasser luzern) an der Industriestrasse 6 erhielt das Stadtarchiv 1972 erstmals Räumlichkeiten, die auch seiner öffentlichen Funktion entsprachen. Neben den Magazin- und Büroräumen stand neu ein Lesesaal mit Arbeitsplätzen für die Akteneinsicht zur Verfügung.

Das Archiv der Bürgergemeinde wurde nach der Zusammenführung mit der Einwohnergemeinde im Jahr 2000 ins Stadtarchiv integriert. Mit der Gemeindefusion folgte 2010 auch die Übernahme des Littauer Gemeindearchivs. Dieses war während fünf Jahren weiterhin am alten Standort in Reussbühl zugänglich. Aufgrund der bereits äusserst beschränkten Platzverhältnisse war eine Aufnahme in die Magazine an der Industriestrasse nicht möglich.

Nach über 40 Betriebsjahren genügte der alte Standort den klimatischen und sicherheitstechnischen Anforderungen nicht mehr. Stadtrat und Parlament erkannten die Notwendigkeit und entschieden sich für den Neubau neben dem Areal der Kantonsschule Reussbühl. Eine Fotodokumentation der Bauarbeiten kann hier eingesehen werden: Stadt Luzern - Neubau Stadtarchiv (2014).

Seit zehn Jahren ist das Stadtarchiv im neuen Gebäude untergebracht. Vorderhand sind noch Platzreserven vorhanden – sie wurden auf 25 Jahre ausgelegt. Zwar sind noch nicht alle Büros der Stadtverwaltung papierlos und die Magazine des Stadtarchivs füllen sich weiter. Dennoch wird auch das Stadtarchiv mit der digitalen Transformation dereinst auch elektronisch geführte Akten auf digitalem Weg zur Verfügung stellen.

Ab dem 15. Jahrhundert waren Teile des Archivs des Luzerner Stadtstaates im Wasserturm untergebracht. Ab 1409 zierten solche Symbole die Schubladen im Archiv und zeigten an, wo bestimmte Dokumente auffindbar waren. Der bekannte Stadtschreiber Renward Cysat (1545–1614) richtete das Archiv in der Alten Kanzlei im Rathaus ein. Das Archiv des Luzerner Stadtstaates zog jeweils mit der Kanzlei um und war zwischendurch auch im Sonnenberghaus zuhause. Nach der Aufteilung des ehemaligen Archivs des Stadtstaates amtete Mohr-Dürler ab 1832 als erster Stadtarchivar Luzerns. Der Geistliche Schneller studierte Geschichte und engagierte sich für die Geschichtswissenschaften in der Zentralschweiz. Fürs Archiv fertigte einen ersten Archivplan an. Der 19-jährige zur Gilgen studierte lieber Jura statt im Archiv zu arbeiten und bat nach nur einem Jahr bereits wieder um Entlassung aus seinem Amt als Stadtarchivar. Es sei nicht immer einfach gewesen, Stadtarchivar Meyer zu finden, da er ein Archiv zu betreuen hatte, das auf drei Standorte verteilt war. Nach der Erstellung des Stadthauses zog auch das Stadtarchiv 1919 in den Südflügel an der Winkelriedstrasse. Ammann soll zum Typ des zuverlässigen und treuen Beamten gehört haben. Unter Hegi, der sich nach eigener Aussage nicht gross für Geschichte interessierte, wanderten die Akten teilweise gar in die Dienstabteilungen zurück. Rogger sah sich bei Dienstantritt einem gewaltigen, trostlos ungeordneten Papierstapel gegenüber, dem der Boden statisch nicht gewachsen war. Ab 1949 war das Archiv im früheren Palmenhaus der Stadtgärtnerei auf dem Stadthausareal unter prekären Bedingungen einquartiert. Die im Magazin ordentlich eingereihten Bände und Akten hatten im Jahresverlauf grossen Temperaturschwankungen zu trotzen. Links im Bild gut ersichtlich: Die Adressbücher der Stadt Luzern. Rüesch prägte das Stadtarchiv wie kaum einer seiner Vorgänger. Es wandelte sich unter seiner Leitung «vom Altpapierarsenal zum wissenschaftlichen Institut» und erhielt eine neue Infrastruktur. Mit dem Umzug des Stadtarchivs an die Industriestrasse erfolgte 1972 unter Edgar Rüesch eine grundlegende Modernisierung des Stadtarchivs. Im dritten Stock der Industriestrasse 6 lagerte die Geschichte der Stadt Luzern während 43 Jahren. Das ewl-Areal wird in den kommenden Jahren neu überbaut, das Gebäude muss einem Neubau weichen. Nebst Promptuar (Stadtlexikon) und Häuserchronik (Register der Baueingaben) entstanden unter Rüeschs Leitung moderne Karteikataloge, dank denen Informationen und Akten schnell auffindbar waren. Erstmals in der Geschichte des Stadtarchivs standen Arbeitsplätze zur Akteneinsicht zur Verfügung. Sie wurden vom Publikum rege genutzt, beruflich wie privat. Die städtischen Akten lagen in hydraulisch angetriebenen Rollregalanlagen. Damals zwar die neueste Technik, später streikten die Anlagen immer häufiger. Lang war die erste Frau in diesem Amt und führte Rüeschs Arbeiten weiter. Die Kanzlei der Bürgergemeinde verwaltete bis zur Fusion mit der Einwohnergemeinde im Jahr 2000 deren Archiv. In den 1970er-Jahren war es an der Militärstrasse 9 neben dem Waisenhaus untergebracht, später zog es mit der Bürgergemeindeverwaltung an die Guggistrasse 7. Das Archiv der Littauer Gemeindekanzlei war lange im Estrich des Schulhauses Littau Dorf untergebracht. 1980 wurde im Schulhaus Ruopigen neu ein Archivraum eingerichtet. Alt Posthalter Josef Bieri und der Reussbühler Chronist Alfred Bucher ergänzten das Littauer Archiv mit historischem Material und reorganisierten die Bestände. Später wurde das Archiv ins Zentrum Ruopigen disloziert, wo es Eduard Ehrler bis zur Fusion mit der Stadt Luzern betreute. Mit der Eröffnung des neuen Gemeindehauses Littau am Ruopigenplatz 1 fand das Archiv 2004 einen neuen Ort, wo es bis zum Neubau des Stadtarchivs im Jahr 2015 blieb. 2011 schrieb die Stadt Luzern einen Projektwettbewerb für den Bau eines neuen Stadtarchivs aus. Das Zürcher Architekturbüro Enzmann Fischer Partner AG gewann den Wettbewerb und realisierte den Bau 2014/15. Der Bau konnte als erstes städtisches Gebäude im Standard Minergie-P-ECO erstellt werden. Für die Klimatisierung ist jedoch sehr viel Technik nötig. Die städtischen Akten liegen seit 2015 in Magazinräumen, welche den klimatischen und statischen Anforderungen zur Archivierung genügen und Platz für den Aktenzuwachs bis 2040 bieten sollen. Das Gebäude des Stadtarchivs erhielt die Auszeichnung guter Baukultur des Kantons Luzern. Walker setzte sich stark für den Archivneubau ein und begleitete dessen Planung aus archivfachlicher Sicht. Der neue, grosszügige Lesesaal an der Ruopigenstrasse wurde am 5. Oktober 2015 eröffnet. Die Mitarbeitenden des Stadtarchivs sammeln und überliefern Quellen, die Rechtssicherheit garantieren und verlässliche Grundlagen für die Forschung bereithalten. Im Vorfeld einer Ablieferung bemüht sich das Stadtarchiv um eine Beratung der abliefernden Stellen. Die Mitarbeitenden des Stadtarchivs entschieden, ob die Bestände vollständig oder in Auswahl archiviert oder ob sie vernichtet bzw. gelöscht werden. Bei der Erschliessung werden die Archivalien geordnet bei Bedarf gereinigt sowie in einem digitalen Archivsystem verzeichnet. Archive müssen sicherstellen, dass die ihnen anvertrauten Archivalien langfristig erhalten bleiben und zugänglich gemacht werden. Je nach Zustand sind Schäden zu reparieren. Durch die digitale Sicherung können physische Originale geschont werden. Dank Volltext-Erkennung ergeben sich zudem neue Auswertungsmöglichkeiten. Das Stadtarchiv betreut einen frei zugänglichen Lesesaal. Es hilft Privatpersonen, Forschenden wie auch der städtischen Verwaltung bei der Suche nach Archivalien, sei es vor Ort oder auf schriftlichem Weg. Die Hauptaufgabe des Stadtarchivs ist die dauerhafte Überlieferung der Unterlagen der Einwohnergemeinde sowie ihrer Vorgängerinstitutionen bzw. der mit ihr fusionierten Gemeinden. Das Stadtarchiv übernimmt private Bestände, wenn diese in Zusammenhang mit der Stadt Luzern stehen und für die Ergänzung der amtlichen Überlieferung oder die Geschichte Luzerns von Bedeutung sind. Dieser Sonderfonds des Stadtarchivs umfasst Karten und Stadtpläne von Luzern, Bebauungspläne sowie Detailpläne von Bauwerken. Der Schwerunkt des Bildarchivs liegt auf Fotos von Gebäuden und Stadtansichten. Es umfasst zudem Bilder von Ereignissen sowie Porträtaufnahmen. In der Sammlung sind vor allem Plakate zu politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Themen und zu Veranstaltungen in der Stadt Luzern zu finden. Das Stadtarchiv ist kein Museum. Dennoch finden sich in der Objektsammlung ein paar wenige Gegenstände, die für die Geschichte der Stadt Luzern oder privater abliefernder Stellen wichtig sind. In den Regalen stehen primär archivfachliche Literatur sowie Publikationen zur Stadt Luzern und ihrer Geschichte, darunter auch die Bände der eigenen Schriftenreihe «Luzern im Wandel der Zeiten» (LWZ). «Vaterland», «Luzerner Tagblatt», «Luzerner Neuste Nachrichten», «Freie Innerschweiz» und andere mehr stehen auf Mikrofilm zur Verfügung, bis 1998 erschlossen mit einem Zeitungsregister. Das «Promptuar» ist eine Kartei mit Stichworten zur Stadt Luzern, von A wie «Aalto-Hochhaus» bis Z wie «Zytturm». Es dient als eine Art Stadtlexikon. In der Kartei finden sich kurze Angaben zu Personen, die in der Stadt Luzern gelebt, gewirkt oder diese besucht haben. In dieser Kartei sind alle Baugesuchsdossiers der Stadt Luzern von 1862 bis 1987 nach Grundstück verzeichnet. Die Dossiers ab 1988 sind digital im Archivsystem erschlossen. Die Erschliessung der Archivalien geschieht längst digital, die alten Fondskarteien wurden retrodigitalisiert. Der Archivneubau wurde so konzipiert, dass er sich bei weiterem Platzbedarf auf der Nordwestseite übers Eck erweitern liesse (im Bild links).