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23. Juni 2025
Die Quartierentwicklung im Gebiet Fluhmühle-Lindenstrasse soll fortgesetzt werden. Der Grosse Stadtrat hat 1,7 Mio. Franken bewilligt: für weitere Integrationsangebote, Frühförderung, Freizeit und Betreuung sowie baulich-räumliche Massnahmen.

Von Pirmin Bossart

Die meisten kennen das Gebiet Fluhmühle-Lindenstrasse nur vom Vorbeifahren. Das Quartier liegt zwischen Reussbühl und Kreuzstutz, etwas eingezwängt zwischen Zimmereggwald und Kantonsstrasse, Bahnlinien und Reuss. Die Kantonsstrasse ist inzwischen grosszügig ausgebaut worden, was aber den Lebensraum für die dortige Bevölkerung nicht gemütlicher gemacht hat. Manchmal braucht ein Gebiet eine besondere Unterstützung und Zuwendung, um eine bessere Lebensqualität zu erreichen und auch den sozialen Austausch in Schwung zu bringen. Das trifft für das Quartier Fluhmühle-Lindenstrasse zu.

Der Stadtrat und der Grosse Stadtrat haben für dieses Gebiet eine nächste Runde im Quartierentwicklungsprozess beschlossen. Sie schafft eine solide Grundlage, um der dort lebenden Bevölkerung mehr Chancengerechtigkeit und vor allem der jungen Generation eine bessere Integration zu ermöglichen. Das Quartier ist geprägt von einer hohen Fluktuation der Bevölkerung und einem unterdurchschnittlichen tiefen Einkommen. Der Anteil ausländischer Menschen ist hoch, ebenso der Anteil von Kindern und Jugendlichen. Überdurchschnittlich viele Lernende haben nicht die Erstsprache Deutsch. Wenn also von einem «Gebiet mit besonderem Bedarf» gesprochen wird, stehen hier vor allem auch die Jüngsten im Fokus von Massnahmen.

Die Lindenstrasse und die Fluhmühle sind geprägt von einer hohen Fluktuation. Der Anteil ausländischer Menschen ist hoch. Es leben viele Kinder und Jugendliche mit ihren Eltern im Quartier.

Sorgen und Wünsche

Wir treffen Yorusalem Yemane im Quartierbüro an der Lindenstrasse. Die Eritreerin lebt mit ihren zwei Kindern seit sechs Jahren in der Fluhmühle. Wie gefällt es ihr? Sie lächelt. «Mittelgut», sagt sie diplomatisch. «Es gibt für meine Kinder wenig Spielmöglichkeiten hier. Auch Jugendliche können sich nirgendwo treffen. Wir haben auch keine Kita.» Yemane arbeitet in einem kleinen Pensum als Logistikerin und besucht regelmässig einen Deutschkurs. Sie bedauert, dass nicht so viele Menschen mit Schweizer Wurzeln im Quartier leben. «So wäre es einfacher, ins Gespräch zu kommen und auch Schweizerdeutsch zu lernen.»

Yemane, die schon etwas Deutsch spricht, ist interessiert daran, dass das Quartier bessere Perspektiven erhält. «Ich rede oft mit Nachbarn über das Quartier und erfahre, was sie für Sorgen haben und was sie sich wünschten.» Sie wird auch Mitglied der neu initiierten Begleitgruppe sein, die mit Menschen vor Ort lokales Wissen und aktuelle Bedürfnisse in den Prozess einbringt.

Désirée Renggli freut sich, dass mit diesem Schritt erstmals auch Bewohnende und Interessierte einbezogen werden. Renggli ist für die Quartierarbeit und Quartierentwicklung Fluhmühle-Lindenstrasse zuständig. Die erfahrene Quartierexpertin bestätigt, dass sich bis jetzt nur ganz wenige Bewohnende für das Quartier engagieren. «Das hat auch mit der kurzen Verweildauer und sprachlichen Barrieren zu tun. Es gibt auch nur wenige Vereine.»

Deshalb sieht sie ihre Aufgabe vor allem darin, Leute miteinander zu vernetzen, Ideen gemeinsam zu generieren und deren Umsetzung zu unterstützen. Sie möchte auch über das engere Gebiet hinaus Engagierte gewinnen, damit tragfähige Nachbarschaftsbeziehungen entstehen können. «Quartierarbeit ist eine Querschnittaufgabe. Es braucht viele Beteiligte, sowohl im Quartier als auch innerhalb der Stadtverwaltung, damit das alles gut zusammenfliesst.» Renggli sieht sich als Vermittlerin, Koordinatorin und Strukturbauerin. «Das Ziel ist erreicht, wenn es mich mal nicht mehr braucht.»

Engagieren sich fürs Quartierleben: Bewohnerin Yorusalem Yemane (links) und Quartierarbeiterin Désirée Renggli.
Einer der wenigen Freiräume und daher beliebter Treffpunkt im Quartier: der Schulhausplatz der Schulanlage Fluhmühle.

Frühe Förderung

Eine wichtige Partnerin für die Quartierentwicklung ist die Schule Fluhmühle. «Es gibt hier viele Zu- und Wegzüge, viele Kinder sprechen Deutsch als Zweitsprache. Das sind Eigenheiten dieses Quartiers», sagt Schulleiter Cédric Eberli. Mit einem Bericht und Antrag wurden der Schule Fluhmühle zusätzliche Ressourcen zugesichert. «Ein wichtiger Schritt, damit wir unserer Aufgabe im Quartier gerecht werden können.»

Hoffnungen setzt Eberli auf die neu geplante Tagesschule. Sie werde für das Quartier einen grossen Beitrag leisten. «Mit dem Tagesschulmodell rückt die Schule näher ans Leben der Familien. Sie wird nicht nur Bildungs-, sondern auch Lebensort.» Zentral sei die frühe Förderung. In Zusammenarbeit mit der Dienstabteilung Kinder Jugend Familie wird eruiert, welche Angebote nötig sind, um den Übergang in die Volksschule zu erleichtern. «Besonders im Übergang vom Vorschul- in den Schulbereich braucht es verbindliche Koordination, damit keine Lücken entstehen.»

Dass auch die Verteilung der Ressourcen überprüft und angepasst werden soll (Sozialindex), ist für den Schulleiter eine grundlegende Massnahme im Bericht. Konkret geht es darum, wie die Verteilung der Ressourcen auf die einzelnen Schulhäuser geregelt wird. «Wir können die Mittel nicht nach Giesskannenprinzip verteilen, sondern müssen Rücksicht auf die spezifischen Ausgangslagen in den Quartieren nehmen. Nur so können wir eine Chancengerechtigkeit erreichen.»

Für Fluhmühle-Schulleiter Cédric Eberli sind die gesprochenen Mittel auch eine Investition in die Chancengerechtigkeit.

Return on Investment

Es ist ein Mosaik von vielen kleinen Projekten, von dem Kinder und Jugendliche im Quartier profitieren können. Für ihn ist klar: «Jeder Franken, den wir in frühe Förderung investieren, zahlt sich mehrfach aus – pädagogisch, gesellschaftlich und auch finanziell. Für mich ist das nicht nur ein Return on Investment, sondern ein Investment in Chancengerechtigkeit.»

 

Eine weitere Etappe
Die Quartierentwicklung Fluhmühle-Lindenstrasse hat 2011 begonnen. Eine Zwischenevaluation im Jahr 2024 hat aufgezeigt, dass die damals gesetzten Ziele nur teilweise erreicht wurden. Deshalb hat der Grosse Stadtrat im März 2025 einen Kredit von 1,7 Mio. Franken bewilligt. Die davon jährlich eingesetzten 173’000 Franken ermöglichen zusätzliche 60 Stellenprozent der Quartierentwicklungsstelle sowie die Umsetzung von zahlreichen Massnahmen.

Massnahmen
Geplant sind beispielsweise der Ausbau von Freizeit- und Spielangeboten für Kinder und Jugendliche sowie des Betreuungsangebots der Volksschule, ein quartiergerechtes Vorschulangebot, der Aufbau von Nachbarschafts- und Quartiernetzwerken, eine bessere Anbindung an Naherholungsgebiete und die Schaffung neuer Freiräume.

Breit abgestützt
Im Quartier Fluhmühle-Lindenstrasse arbeiten verschiedene Personen der Stadtverwaltung und des Quartiers zusammen, Quartierkräfte bilden eine Begleitgruppe. Mit dem Ausbau der Quartierentwicklungsstelle können die Nachbarschaftsnetzwerke und die Dialoge mit den Liegenschaftsbesitzenden gestärkt werden. Eine verwaltungsinterne, direktionsübergreifende Steuerungsgruppe koordiniert die Umsetzung der Strategien und überprüft die Resultate. Beteiligte Dienstabteilungen: Quartiere und Integration, Stadtplanung, Kinder Jugend Familie, Tiefbauamt und Volksschule.

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Stadtmagazin 2/2025