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«Ende einer Legende» titelte der Luzerner Anzeiger am 31. Oktober 1993, als das Restaurant «Alpengarten» nach 80 Jahren seine Türen schloss. Der Betrieb gegenüber der Talstation der Dietschibergbahn, am Felsental 1, wurde abgerissen, um Platz für eine Neuüberbauung mit 25 Wohnungen zu schaffen.

Bei seiner Eröffnung im Mai 1913 war das Restaurant Teil eines eigentlichen Tourismuskomplexes. Im Auftrag der «Alpengarten der Urschweiz AG» hatte der Architekt Bernhard von Euw eine Urschweiz im Miniaturformat kreiert. Ohne weite Reisewege konnten bildungsbeflissene Touristen hier die Wiege der Eidgenossenschaft kennenlernen und sich am Anblick alpiner Flora mit Zwergtannengruppen, Alpenveilchen und Edelweiss laben. Der Ausbruch des ersten Weltkriegs führte den erfolgreich gestarteten Alpengarten – wie die ganze Tourismusindustrie – in eine markante Krise. Auch nach Kriegsende konnte nicht mehr auf das ursprüngliche Konzept abgestellt werden. Zielpublikum wurde statt ausländischer Touristen die einheimische Bevölkerung; die Bauten wurden entsprechend umfunktioniert. Der «Alpengarten» mit Dancingbetrieb und Bar sei «heimelig und unkonventionell» gewesen, wie der Luzerner Anzeiger 1993 in seinem Bericht anlässlich der Schliessung schrieb. Zum speziellen Ambiente gehörten etwa die fest montierten Tischtelefone, über die sich die Besucher zum Tanz auffordern konnten. Als Zeuge des ehemaligen «Alpengartens» geblieben ist die Nachbaute der Burgruine «Zwing Uri». Sie ist in den Spielplatz der heutigen Wohnüberbauung integriert.

Die Bildergalerie mit den im Stadtarchiv aufbewahrten Bauplänen, Bildbeständen und Berichten der lokalen Medien lässt den «Alpengarten der Urschweiz» wieder aufleben und nimmt die Besucherin, den Besucher mit auf eine Reise in ein Stück Luzerner Tourismusgeschichte.

Literaturhinweis:
Lisa Konrad: "eine Sehenswürdigkeit ersten Ranges". Der Alpengarten der Urschweiz in Luzern. In: Felsengärten, Gartengrotten, Kunstberge. Motive der Natur in Architektur und Garten, hrsg. von Uta Hassler, München, 2014, S. 104-123
Die Eröffnung des Alpengartens wurde über Werbeanzeigen in den Luzerner Tageszeitungen bekannt gemacht. Die «Alpengarten der Urschweiz AG» hatte 1912 die vom Architekten Bernhard von Euw erstellten Pläne für ein «Restaurant mit Gartenarchitektur» zur Bewilligung eingereicht. Der Garten war als Rundgang angelegt. Betreten wurde dieser über ein kleines dunkelbraunes Tor, auf dem Plan mit «Entrée» beschriftet. Der Rundgang begann auf der linken Seite mit der Alphütte «Stanserhorn». Die nächste Station bildete die Alphütte «Altdorf-Marktplatz». Der anschliessende Aufstieg führte zur Burgruine «Zwing Uri». Es folgte eine Wandelhalle, die über eine Rotunde mit dem den Rundgang abschliessenden Restaurant verbunden war. Gesäumt wurde dieser Pfad durch die «Urschweiz» von einer Gartenanlage mit alpiner Flora. Das Präsidium der «Alpengarten der Urschweiz AG» hatte bei der Eröffnung der gut vernetzte liberale Politiker und Jurist Alois Moser († 1936) inne. Die Fassade der historisierend gebauten Alphütte «Stanserhorn» war mit in Holz geschnitzten Wappen geschmückt. Die mit vielen Details versehenen Alphütten verfügten jeweils über eine Vorlaube und einen Bilderraum, in dem Gemälde des Luzerner Künstlers Jean Renggli gezeigt wurden. Die bereits 1470 im «Weissen Buch von Sarnen» erwähnte Burg «Zwing Uri» baute von Euw als künstliche Ruine mit Stilelementen aus der Übergangszeit vom Romanischen ins Gotische nach. Das Sonntagsblatt des Vaterlands zeigte 1913 in einem ausführlichen Bericht über die Eröffnung des Alpengartens diverse Ansichten der Gartenanlage. Das Panoramagemälde «Altdorf im 13. Jahrhundert» konnte in der Alphütte «Marktplatz von Altdorf» betrachtet werden. Kupferkessel, Käseformen und vieles mehr schmückten das Innere der «Sennhütte am Urmiberg». Die Wände des «unheimlichen» Turmzimmers waren mit zahlreichen Fresken und Folterszenen geschmückt. Von Euw prägte die Stimmung der Anlage mit gotischen Stilelementen und versah das Restaurant mit einem originellen Turmaufbau. Zahlreiche Panoramen und Gemälde Jean Rengglis wurden in der Wandelhalle gezeigt. Eine weitere Bilderserie zur Eröffnung des Alpengartens erschien im Juli 1913 in der Illustrierten Luzerner Chronik. Das Restaurant mit Gartenlaube führten 1913 eine Frau Tschopp und «ihr Liseli». Die hölzerne Inneneinrichtung des Restaurants war eher dunkel gehalten. Die massiven Holzsäulentische waren teilweise gar aus Altholz gefertigt, welches aus dem abgegrabenen Lungernsee gezogen wurde. Erweitert wurde der Betrieb 1959 durch die Erstellung einer Bar in der ehemaligen Wandelhalle. Die Gemälde Jean Rengglis bildeten nach ihrer Restaurierung dafür die Kulisse. Für die Nachwelt dokumentiert: Der Zustand der Anlagen wurde im Auftrag des Stadtarchivs kurz vor dem Abriss festgehalten. Das ursprünglich für Touristen erbaute Restaurant wurde nach dem Ersten Weltkrieg bis zu seiner Schliessung 1993 hauptsächlich von Luzernern besucht. Im rustikal eingerichteten Restaurant konnten die Gäste von Live-Musik begleitet bis in die Nacht hinein das Tanzbein schwingen. Bis zum Schluss blieben die gotischen Stilelemente sowie massive Kupferkessel Teil der dekorativen Ausgestaltung der Anlage. Die architektonische Grundstruktur des Restaurants blieb in den 80 Jahren seines Betriebs erhalten. Nur der Turm auf dem Dach war gewichen, dafür prägten grosse Werbeschilder das Bild. Die Gemälde aus der ehemaligen Rotunde wurden nach dem Abriss beim Restaurator Georg Eckert eingelagert. Die Burgruine steht als einziger Bau des «Alpengartens der Urschweiz» noch heute am Rand des Kinderspielplatzes der Neuüberbauung.